Militärkommandant: “Patrouillen sind möglich”

Politik / 17.03.2020 • 06:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Militärkommandant: "Patrouillen sind möglich"
“Wenn es uns braucht, unterstützen wir die Polizei”, sagt Hessel. VN

Militärkommandant über Einsatzszenarien des Bundesheeres in der Coronakrise.

Wien Die Abrüstung von Grundwehrdienern wird vorerst zwei Monate aufgeschoben, das Bundesheer in Vorarlberg steht für alle möglichen Unterstützungsleistungen bereit, berichtet Militärkommandant Gunther Hessel den VN. Die Coronakrise sollte zu denken geben, etwa was die Autarkie der Truppen anbelangt. Dass in Vorarlberg bald Soldaten patrouillieren könnten, schließt Hessel nicht aus.

Wieso sehen viele das Bundesheer erst in Zeiten wie diesen als wichtige strategische Reserve?

In tiefsten Zeiten des Friedens wird die Notwendigkeit nicht so deutlich. In Krisensituationen ist das Bundesheer als strategische Reserve aber wichtig. Wie schnell es gehen kann, sehen wir aktuell. Natürlich sind derzeit nicht unsere ureigensten militärischen Kernkompetenzen gefragt. Aber wir sind ein wichtiges Backup mit großer Mannesstärke, das vielfältig tätig werden kann. Man ist froh, wenn man weiß, dass Tausende Soldaten im Hintergrund bereitstehen.

Wofür werden die Vorarlberger Soldaten derzeit eingesetzt?

Seit einigen Tagen unterstützen 15 Rekruten den Infektionsdienst bei den Erhebungen von Kontaktpersonen in der Walgaukaserne.

Helfen die Soldaten auch in Lebensmittellagern mit?

Am Montag hat unsere Unterstützungsleistung im Logistikzentrum von Spar in Dornbirn und REWE in Lauterach begonnen, auch mit Leistungssportlern des Leistungszentrums Dornbirn. Zu möglichen Assistenzeinsätzen befinden wir uns im Austausch mit der Landespolizeidirektion.

Wo könnten Soldaten noch eingesetzt werden? 

Wir können bei Kontrollen an den Grenzen oder von Quarantänen wie in St. Anton unterstützen. Wir wären bereit, bei der Überwachung von Zutritten zu Krankenhäusern oder Logistiklagern zu helfen. Auch normale Patrouillen sind möglich.

Das Bundesheer wird die Polizei überall unterstützen.

Noch kann die Polizei ihren Auftrag nach meinem Informationsstand mit der Normbesetzung erfüllen. Das ist die Stufe eins. Für Stufe zwei greift die Polizei auf ihre eigenen Reserven wie Polizeischüler zurück. Tritt Stufe drei ein, brauchen sie unsere Unterstützung. Es wird sich zeigen, ob das der Fall sein wird. Wir stehen aber jederzeit bereit.

Das heißt, das Bundesheer wird auf der Straße präsenter?

Wenn Stufe drei eintritt, werden wir in der Öffentlichkeit mehr in Erscheinung treten. In der Anfangsphase wäre dann vorgesehen, dass für die Polizeistreife immer ein Polizist und ein Soldat zusammenarbeiten, der Polizist wäre natürlich der Experte im Team. Damit erhöhen wir die Zahl der Posten und haben eine doppelte Kapazität. Erst, wenn das nicht reicht, würde es zu reinen Soldatenpatrouillen kommen. Ich kann auch nicht ausschließen, dass dann Militärfahrzeuge verwendet würden. Wie wahrscheinlich das ist, kann ich aber nicht sagen.

Sollte es soweit kommen, muss aber niemand verunsichert sein.

Nein. Wir unterstützen die Polizei in ihren vielen Aufgabenstellungen, wenn es uns braucht, um zur Beruhigung und Sicherheit beizutragen.

Gibt es ausreichend Militär-Kfz?

Es wäre besser, wären wir bei den Militärfahrzeugen besser aufgestellt. Aber für die anstehenden Aufgaben könnten sie ausreichen. In anderen Katastrophenszenarien kämen wir hingegen schnell an unsere Kapazitätsgrenzen, da wir zu wenig Geländefahrzeuge und geschützte Fahrzeuge besitzen.

Wie steht es um die Durchhaltefähigkeit des Bundesheeres in Vorarlberg?

Da das Abrüsten Ende März ausgesetzt wird, haben wir österreichweit einen Gewinn von 2000 Rekruten, in Vorarlberg sind es insgesamt 22. Sollten wir eine durchgängige Schichtfähigkeit brauchen, kommen wir aber schnell an unsere Grenzen. Dann müssen wir schauen, ob wir von anderen Dienststellen im Bundesgebiet Verstärkung erhalten oder eventuell auf die Miliz zurückgreifen.

Wie lange wird die Abrüstung von Grundwehrdienern aufgeschoben?

Nach ersten Informationen zumindest um zwei Monate. Es ist eine Entscheidung der Bundesministerin.

Zeigt sich in der Coronakrise, dass es jene Sicherheitsinseln brauchen würde, die den Sparplänen im Bundesheer zum Opfer gefallen sind?

Absolut. Ich trenne das in meinem persönlichen Verständnis in zwei Begriffe. Eines ist die Sicherheitsinsel, die auch für andere Blaulichtorganisationen zur Verfügung stünde: mit Stromaggregaten, Betriebsmittelversorgung, Verpflegung und gewissen Unterkünften. Das zweite ist die Kasernenautarkie alleine für die militärischen Kräfte.

Wie steht es um die Autarkie in Vorarlberg?

Ich habe vor drei Wochen den Auftrag gegeben, unsere Kasernenautarkie hochzufahren. Wir wären im Notfall für zwei bis drei Wochen voll ausgestattet mit Verpflegung und Betriebsmittel.

Was fehlt für eine längerfristige Autarkie, für eine Sicherheitsinsel?

Es fehlt an Möglichkeiten zur Bevorratung von Lebensmitteln und Betriebsmitteln. Die Notstromversorgung ist nur rudimentär gesichert. In Bregenz fehlt uns auch eine eigene Tankstelle, die aufgrund von Sparprogrammen aufgelassen wurde. Jetzt mussten wir Benzinkanister befüllen, um im Notfall nachtanken zu können. Die aktuelle Situation zeigt, wie wichtig es wäre, Sicherheitsinseln und Autarkie aufzubauen.

Mannesstärke im Bundesheer

7 Grundwehrdiener im Militärkommando Bregenz werden vorläufig nicht ausgemustert, das gleiche gilt für 15 Rekruten im Jägerbataillon in Bludesch.

130 Soldaten stehen in Vorarlberg – also im Jägerbataillon und im Militärkommando – aktuell für Unterstützungsleistungen und Assistenzeinsätze zur Verfügung.

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.