Protest gegen Grenzkontrollen wird lauter

Politik / 08.05.2020 • 08:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Protest gegen Grenzkontrollen wird lauter
“Open the borders” (“Öffnet die Grenzen”) ist auf einem Gehweg in Berlin zu lesen. REUTERS

Reisefreiheit seit Mitte März eingeschränkt. Deutsche Politiker begehren auf.

Bregenz In normalen Zeiten herrscht in den Staaten des Schengenraums Reisefreiheit. Doch die Coronapandemie hat das geändert. Bis auf wenige Ausnahmen ist es seit Mitte März de facto nicht möglich, in die Nachbarländer einzureisen. Österreich hat seine Kontrollen bis 31. Mai verlängert. Wie es weitergeht, ist unklar. Zwischen jenen Ländern, die gut durch die Krise gekommen sind und niedrige Neuinfektionszahlen haben, sei eine schrittweise Öffnung der Grenzen Thema, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nach einer Telefonkonferenz mit anderen Regierungschefs am Donnerstag. Österreich habe Interesse, die Grenzbalken zu Deutschland und Tschechien herunterzufahren.

“Schluss mit Gitterzäunen und Schlagbäumen”

Berlin reagierte bisher zurückhaltend. Doch mittlerweile regt sich dort Protest gegen die strikten Kontrollen. Zwölf Bundestags- und Europaabgeordnete der regierenden Union, darunter der frühere Fraktionschef im Bundestag, Volker Kauder, und Vizefraktionschef Andreas Jung (beide CDU), fordern Innenminister Horst Seehofer (CSU) dazu auf, die Kontrollen zu beenden. “Nach über sieben Wochen muss Schluss sein mit Gitterzäunen und Schlagbäumen im Herzen Europas”, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme, aus der das Redaktionsnetzwerk Deutschland zitiert. Die Grenzübergänge zur Schweiz, nach Frankreich und nach Luxemburg sollen umgehend geöffnet werden. “Spätestens mit dem 15. Mai müssen alle als Notmaßnahmen befristet verhängten Grenzbeschränkungen dann entfallen.” Die deutschen Einreisebeschränkungen gelten vorerst bis zu diesem Datum.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann verspricht sich zumindest Lockerungen. Der Regierung des deutschen Bundeslandes sei es ein dringendes Anliegen, dass der grenzüberschreitende Alltag mit Österreich und Tschechien bald wieder stattfinden könne, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Seehofer verteidigte die Kontrollen im Gespräch mit “Bild” als Teil des Erfolgs bei der Eindämmung des Infektionsgeschehens und verwies auf laufende Gespräche mit den Ländern. Die Beschränkungen sollten zunächst bis 15. Mai fortgesetzt werden.

Kontrollen als letztes Mittel

Grundsätzlich erlaubt der Schengener Grenzkodex vorübergehende Kontrollen als letztes Mittel. Voraussetzung ist, dass die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit in einem Mitgliedsstaat ernsthaft bedroht ist. Die Kontrollen sind höchstens 30 Tage möglich. In Ausnahmefällen können sie aber in weiteren 30- Tage-Schritten bis zu einer Höchstdauer von sechs Monaten verlängert werden. Unter außergewöhnlichen Umständen sind Kontrollen bis zu zwei Jahre lang zulässig. Die Mitgliedsstaaten entscheiden über die Einführung. Doch sie sind angehalten, die EU-Kommission und die anderen Schengenstaaten über ihre Entscheidung zu informieren.

„Die Kommission muss die Begründung der Staaten überprüfen“, erläutert Andreas Maurer, Politikwissenschaftler von der Universität Innsbruck. Bislang habe sich die Brüsseler Behörde mit Kritik am Vorgehen der Mitgliedsstaaten zurückgehalten. Aus der Sicht Maurers müsste sie viel deutlicher auftreten und sich gegen weitere Kontrollen stellen. Sie könne die Kommission beispielsweise einen Tag benennen, bis zu dem sie die strengen Regelungen an den Grenzen für gerechtfertigt hält. „Dann wären die Mitgliedsstaaten auch dazu angehalten, bessere Gründe für ihr Vorgehen darzulegen.“

Die EU-Kommission hatte im vergangenen Monat angekündigt, an Leitlinien für die mögliche Grenzöffnung zu arbeiten. Diese will sie kommende Woche vorlegen. Selektive Grenzöffnungen seien abzulehnen, sagte Innenkommissarin Ylva Johansson in einer Videokonferenz mit dem Ausschuss des EU-Parlaments für bürgerliche Freiheiten. “Die Mitgliedstaaten können nicht die Grenzen für Bürger eines EU-Lands öffnen, aber nicht für die eines anderen.” Die Nationalität dürfe innerhalb der EU nicht über die Möglichkeit der Ein- und Ausreise entscheiden, so Johansson.