Nach Demo-Unruhen: Die Verbindungen zwischen Kobane und Wien

Warum die “Grauen Wölfe” bis nach Favoriten ziehen.
Wien Die Angriffe organisierter türkischer Ultranationalisten auf Kurdendemonstrationen letzte Woche in Wien-Favoriten erinnern daran, dass das Problem Kurdistan trotz aller Corona-Ruhe nach wie vor virulent ist. Anlass für die genehmigten kurdischen Kundgebungen war ein gezielter Drohnenangriff der Türkei auf das Treffen des „Syrischen Demokratischen Rates“ bei Kobane. Der Heldenstadt, wo 2014 Kurden und vor allem Kurdinnen den Vormarsch der Terrormiliz IS gestoppt hatten. Jetzt kamen dort drei führende kurdische Aktivistinnen ums Leben. Der Vorfall zeigte nicht nur die schon in Libyen erwiesene Treffsicherheit der selbst entwickelten türkischen Lenkwaffen. Er beweist auch die Entschlossenheit Ankaras, ein Erbteil des syrischen Bürgerkriegs an sich zu reißen: den Nordosten jenseits vom Euphrat, der durch die kurdisch-aramäischen „Syrischen Demokratischen Kräfte“ kontrolliert wird. Der Versuch des türkischen Machthabers Recep Tayyip Erdogan, dort einen breiten „Sicherheitsgürtel“ einzurichten, war über bescheidene Bodengewinne nicht hinausgekommen.
Der Kurdenkonflikt greift aber nicht nur auf Teile von Syrien und dem Irak über. Sein Herd liegt in der Türkei, verschärft die akute Demokratie- und Wirtschaftskrise. Die Ursachen liegen wie beim Palästinakonflikt schon in verfehlten Weichenstellungen der Siegermächte des Ersten Weltkriegs im Orient und der Schaffung eines exklusiv türkischen Nationalstaats durch Kemal Atatürk. Nach Massakrierung und Vertreibung aller anderen Minderheiten blieben nur mehr die Kurden als “Fremdkörper” übrig. Jahrzehntelang versuchte Ankara diese zu assimilieren und so Widerstände auszurotten. Speerspitze des Widerstandes ist seit 1984 die „Arbeiterpartei Kurdistans“. Sie verschuldet dabei zweifellos Terrorakte.
Erdogan kam dann im ersten Jahrzehnt seiner Herrschaft den Kurden entgegen, ließ ihre Vertreter ins Parlament und die kurdische Sprache öffentlich zu. Doch seine spätere Wandlung zum Despoten bekamen gerade die Kurden zu spüren: mit Militäraktionen sowie der Verhaftung kurdischer Bürgermeister und Abgeordneter.