Fieberrede
Ganz groß und wie im Fieberwahn zelebrierte Donald Trump am vergangenen Wochenende den Nationalfeiertag der „Befreiung“ von den britischen Unterdrückern vor 244 Jahren. Mitten in der Corona-Pandemie und mit einem Riesen-Feuerwerk und donnernden Tiefflug von US-Kampfjets am Mount Rushmore im Bundesstaat South Dakota. Vor einigen Tausend, natürlich mehrheitlich ohne Mundschutz hingepilgerten Fans vor dem gewaltigen Felsmassiv mit dem Konterfei der vier Helden-Präsidenten Washington, Jefferson, Lincoln und Roosevelt. South Dakotas Gouverneurin Kristi Noem berichtete stolz von Trumps Herzenswunsch, eines Tages als fünfter Helden-Präsident da für die Ewigkeit hingemeißelt zu werden.
Statt wie Vorgänger-Präsidenten die „Einigkeit unserer großen Nation“ am Nationalfeiertag zu preisen, lieferte Trump eine Fieberrede gegen „linksextreme Faschisten“ und gegen „wütende Mobs“ ab, die eine „gnadenlose Kampagne zur Auslöschung unserer Geschichte“ betrieben. Gemeint waren damit die US-Demonstranten gegen den grassierenden Rassismus im Land, deren oberster Verharmloser gegenwärtig im Weißen Haus regiert. Damit attackierte Trump letztlich alle US-Bürger, die nicht seiner Meinung sind und ihn bei der nächsten Wahl in vier Monaten nicht wiederwählen wollen.
In seiner „ich-bin-der-Größte-Rede“ ging der Noch-Präsident mit keinem Wort auf die schon mehr als 130.000 Corona-Toten in den USA ein – so viel wie in keinem anderen Land der Erde. Und auch nicht darauf, dass viele dieser Opfer noch leben könnten, wenn er im Gegensatz zu anderen Regierungen nicht aktiv lebensrettende staatliche Rettungsmaßnahmen verhindert hätte. Unerwähnt ließ er auch die sonstigen brachialen Folgen seiner Untätigkeit und Fehlentscheidungen in der Pandemie: Wie die Spaltung der Gesellschaft, den Niedergang der Wirtschaft und eine so hohe Arbeitslosigkeit wie seit der Weltwirtschaftskrise nicht mehr.
Kurz nach dem Spektakel hastete der Präsident zum Zweitfeuerwerk in Washington, dem natürlich „spektakulärsten der Neuzeit“. Und wieder mit Militär-Jets und für „Schutz und Ordnung“ sorgenden Soldaten, die vor Kurzem noch gegen Polizeibrutalität und Rassismus friedlich demonstrierende Hauptstadtbewohner weggeprügelt hatten. Bürgermeisterin Muriel Bowser hatte zur Vermeidung von Virus-Infektionen dringend geraten, besser zu Hause zu bleiben und vor dem Fernseher zu feiern.
Dass die jüngsten Auftritte Trumps Chancen für eine zweite Amtszeit beflügeln, bezweifeln inzwischen selbst etliche seiner Wasserträger im Washingtoner Parlament. Die Umfragewerte des „Make-America-great“-Präsidenten fallen weiter. Sie liegen zur Zeit bei 39 Prozent Zustimmung, sein Demokraten-Gegenkandidat Ex-Vizepräsident Joe Biden kommt auf 52 Prozent. Die nächste Rede zum amerikanischen Nationalfeiertag, so scheint es, wird mit verändertem Personal wohl etwas anders ausfallen. Dann müssten die Regierenden in befreundeten Staaten auch nicht mehr so betreten schweigen wie bei der Präsidentenrede vom 4. Juli 2020.
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