Türkischer Einfluss von den Alpen bis zum Himalaya

Wie Jugendliche in Österreich von der Türkei aus radikalisiert werden.
Wien Die Angriffe extremistischer Türken auf friedliche Kundgebungen und die Ordnungskräfte in Favoriten entwickeln sich zu Hauptthemen im Wiener Wahlkampf und der österreichischen Innenpolitik. Heute, Mittwoch, werden sich Integrationsministerin Susanne Raab und Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) mit Vertretern des Verfassungsschutzes sowie Integrations- und Islamexperten zu einem Runden Tisch treffen. Das Treffen mit türkischen und kurdischen Vereinen nach den Gewaltausbrüchen bei Demonstrationen in Wien-Favoriten kommt nicht zustande. „Erste Gespräche haben gezeigt, dass die Fronten zwischen türkischen und kurdischen Vereinen derart verhärtet sind, dass nicht einmal eine gemeinsame Krisensitzung möglich ist“, so Innenminister und Integrationsministerin via Aussendung.
Die Ausschreitungen in Wien verdeutlichen, welchen Einfluss die Türkei auf innere Angelegenheiten eines Staates nehmen kann. Die Schläger im zehnten Bezirk warfen nicht nur Steine auf Einsatzkräfte und Polizeihunde, sie zeigten auch den in Österreich seit 2019 verbotenen „Wolfsgruß“ mit ausgestrecktem Daumen und kleinen Finger. Damit wollen diese „Grauen Wölfe“ weniger die Ohren ihres reißenden Symboltiers darstellen. Nach eigener Erklärung hat er zu bedeuten: „Wir werden den Türkisch-Islamischen Stempel der Welt aufdrücken.“ Die ultratürkistische, rechtsextreme und islamistische Wolfsbewegung ist also von Haus aus auf Weltherrschaft ausgerichtet. Das kommt auch im Fahneneid ihres Jungvolks zum Ausdruck, der die Neumitglieder auf Kampf für ein Großtürkisches, „Turanistisches“ Reich von Europa bis Zentralasien einschwört. Nach außen gibt man sich friedlich und ideal, nicht zufällig nennen sich die Wölfe offiziell „Idealisten“.
Nicht im Vereinsregister
Auch in Österreich sind die „Grauen Wölfe“ bei Straßenschlachten, nicht aber im Vereinsregister präsent. Sie verbergen sich hinter Vorhutorganisationen. So treten sie europaweit als „Türkische Föderation“, zum Teil in Österreich unter dem Decknamen „Avrasya“ auf. In der Türkei kontrollieren die „Grauen Wölfe“ ideologisch und personell die „Partei der nationalistischen Bewegung“ (MHP), die einen Faktor des Regimes von Machthaber Recep Tayyip Erdogan darstellt. Mit dessen Unterstützung ist es gelungen, bei den Auslandstürken viele junge Männer zu radikalisieren.
In der Türkei selbst sieht das ganz anders aus. Nur in Trabzon am Schwarzen Meer liegt ein Brutnest der Grauen Wölfe. Sonst zeigt sich die unter ständiger Herrschaft Erdogans aufgewachsene junge Generation seinetwegen recht politikverdrossen. Die in diesen Tagen geplante Moscheeisierung der Hagia Sophia soll sie neu begeistern und mobilisieren.