Warum die Hagia Sophia bald wieder zur Moschee wird

Politik / 15.07.2020 • 15:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Warum die Hagia Sophia bald wieder zur Moschee wird
Das Wahrzeichen Istanbuls wird bald für das muslimische Gebet geöffnet. AP

Experte ortet Symbolpolitik Erdogans als Folge abnehmender Popularität.

Istanbul 86 Jahre lang war sie ein Museum. Nun soll die Hagia Sophia in Istanbul wieder eine Moschee werden. Die in der vergangenen Woche beschlossene Umwidmung hat international für Empörung gesorgt. So sprach die griechische Regierung von einem „historischen Fehler“ von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Auf die Beleidigung müsse eine entsprechende Antwort folgen. Die Europäische Union, die USA und Russland drückten ihr Bedauern aus. Die russisch-orthodoxe Kirche zeigte sich entsetzt, auch Papst Franziskus sagte nach dem traditionellen Angelus-Gebet in Rom: “Ich denke an die Heilige Sophia, und es schmerzt mich sehr.”

Gebete ab 24. Juli

Das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei hatte in der vergangenen Woche den Status der einstigen Kirche als Museum aberkannt. Wenig später ordnete Präsident Erdogan an, das Gebäude für das islamische Gebet zu öffnen. Seit Samstag ist die Hagia Sophia für Besucher geschlossen. Es laufen die Vorbereitungen für die Umwidmung. Der Vorsitzende der Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbas, drückte seine Hoffnung aus, bis zum 24. Juli mit den Arbeiten fertig zu sein. Dann könnte das Istanbuler Wahrzeichen wieder als Moschee genutzt werden. Erdogan forderte, die Entscheidung zu respektieren. “Wie die Hagia Sophia genutzt wird, hat etwas mit den Souveränitätsrechten der Türkei zu tun.” Der Eintritt werde gratis sein und das Gebäude allen offen stehen, Muslimen und Nichtmuslimen.

Die Hagia Sophia (griechisch: „Heilige Weisheit“) war im 6. Jahrhundert nach Christus erbaut worden. Sie war einst Hauptkirche des Byzantinischen Reichs, in der die Kaiser gekrönt wurden. Nach der Eroberung des damaligen Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 wandelte Sultan Mehmet II. die Hagia Sophia in eine Moschee um. Zum Museum wurde sie schließlich auf Betreiben von Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk 1934: Damals ordnete der Ministerrat die Umwandlung an. Das Gebäude im Zentrum Istanbuls gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Im vergangenen Jahr haben nach offiziellen Angaben 3,7 Millionen Menschen die Hagia Sophia besucht. Sie war somit das meistbesichtigte Museum der Türkei.

Die AKP und vor allem Erdogan haben den Zenit der Popularität überschritten.

Hüseyin Cicek, Politologe

Der Vorarlberger Politologe Hüseyin Cicek von der Universität Wien bezeichnet die Vorgangsweise der türkischen Führung als Symbolpolitik.  „Die AKP und vor allem Erdogan haben den Zenit der Popularität überschritten“, erläutert Cicek. Außenpolitische Entwicklungen und Auseinandersetzungen wie etwa aktuell in Syrien und in Libyen hätten dazu geführt, dass frühere Bündnispartner abhanden kamen und wirtschaftliche Kooperationen aufgelöst wurden. „Die wirtschaftliche Lage hat sich verschlechtert, die politische Popularität hat abgenommen. Es mussten religiös-populistische Narrative erfunden werden.“ Dafür habe sich die Umwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee bestens geeignet. Islamistische Parteien und Bewegungen würden schon seit den 1950er-Jahren von diesem Schritt träumen, handle es sich bei dem Gebäude doch um ein Symbol des Sieges im Osmanischen Reich. „Für die AKP und ihre Inszenierung des Neo-Osmanismus ist es umso wichtiger, diesen Kontext aufrechtzuerhalten.“