Massive Neuverschuldung angekündigt: „Schulden werden fast nie zurückbezahlt“

Staat trägt eher nur Zinslast, sagt Ökonom Ötsch. Blümel kündigt auch für 2021 großes Minus an.
WIEN Die Staatsschulden schnellen in Folge der Coronakrise steil nach oben. Auch im kommenden Jahr werde es noch eine massive Neuverschuldung brauchen, kündigt Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) an. Konkrete Zahlen nennt er nicht. Vielleicht werde sich Österreich gegen Ende der Legislaturperiode den eigentliche EU-Vorgaben wieder annähern, sagt er. Beunruhigend? Der Ökonom Walter Ötsch gibt angesichts der steigenden Schulden Entwarnung: Entscheidend seien die Zinsen; und diese seien niedrig.
Blümel nennt keine Zahlen
Die auf EU-Ebene vorgegebenen Budgetkriterien sehen eine jährliche Neuverschuldung unter drei und eine Gesamtverschuldung unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung vor. Letzteres hat Österreich seit dem EU-Beitritt nie eingehalten. Heuer dürfte die Neuverschuldung bei 10,5 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, kommendes Jahr (laut Wifo-Prognose) bei 4,3 Prozent. Die Staatsverschuldung soll demnach bis 2024 auf 81 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung ansteigen. Der Finanzminister nennt noch keine konkreten Zahlen.
In schweren Zeiten investieren
Ökonom Ötsch appelliert, sich „vom Erfahrungsraum der Schwäbischen Hausfrau“ zu trennen: Das Prinzip, keine Schulden zu machen und den Kindern ein Vermögen zu hinterlassen, könne nicht auf den Staat übertragen werden. In schweren Zeiten müsste er sonst Sozialleistungen kürzen; gerade in einer Zeit, in der es nötig sei, besonders zu investieren. Das zeigt auch das Milliarden-Hilfspaket der Bundesregierung.
Abgesehen davon bedeuten Schulden für den Staat etwas ganz anderes: Für Normalsterbliche handelt es sich um eine Last, die sie über Jahre hinweg abtragen, bis sie weg ist. „Von Staaten dagegen werden Schulden normalerweise nie zurückbezahlt, sondern immer nur revolviert“, erklärt Ötsch: Es werden also Anleihen begeben und wenn sie auslaufen, werden einfach neue begeben. Was sich ändert, sind die Zinsen. Sie sind seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007/2008 jedoch extrem niedrig.

Im vergangenen Jahr belief sich der Schuldenstand des Bundes auf 208,77 Milliarden Euro. Der Zinsaufwand betrug 5,58 Milliarden Euro und war damit so niedrig wie zuletzt in den 1990er Jahren, obwohl sich der Schuldenstand seither verdreifacht hat. Anders ausgedrückt: Wären die Zinsen auf dem damaligen Niveau geblieben, der Aufwand wäre heute um rund elf Milliarden Euro größer. Das bleibt Blümel jedoch erspart.
Es sei nicht zu erwarten, dass sich daran etwas ändern wird, analysiert Ötsch: „In schweren Zeiten gibt es einen Run auf Staatsanleihen.“ Österreich könnte sich auf diesem Weg sogar mehr Geld holen, als es braucht. Und auch bei den günstigen Konditionen dürfte es bleiben: „Die Zentralbanken sind in den unkonventionellen Maßnahmen so sehr festgezurrt, dass in den nächsten Jahren eine Rückkehr zu einem normalen Zinsniveau überhaupt undenkbar ist.“
Alles? Nein: Nicht zuletzt der Finanzminister hofft, dass es bald wieder ein Wirtschaftswachstum gibt. Wie in der Vergangenheit könnte das nämlich dazu führen, dass die Verschuldung, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), wieder kleiner wird. Wenn von einem Schuldenabbau die Rede ist, dann ist in der Regel auch nur das gemeint.
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