Weißrussische Opposition ruft zu neuer Großdemo auf

Trotz eines Demonstrationsverbots in Weißrussland hat die Opposition neue Massenproteste gegen den umstrittenen Staatschef Alexander Lukaschenko geplant.
Minsk Die Menschen sollten sich für den „Marsch der Einheit“ am Sonntag auf dem Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt Minsk versammeln, hieß es in dem Aufruf unter dem Motto „Einer für alle, alle für einen“. Landesweit sind ähnliche Aktionen geplant.
Trotz eindringlicher Warnungen vor neuen Protesten gegen Staatschef Alexander Lukaschenko in Weißrussland waren am Sonntag Tausende Menschen in der Hauptstadt Minsk unterwegs. Auf Videos war zu sehen, wie Menschen mit der historischen weiß-rot-weißen Landesflagge in großen Gruppen in Richtung Stadtzentrum zogen. Die Sicherheitskräfte waren mit einem großen Aufgebot vor Ort und sperrten Straßen ab, berichteten lokale Medien am Sonntag. Auch der Unabhängigkeitsplatz im Zentrum von Minsk war abgeriegelt. Videos zeigten, wie Uniformierte vereinzelt Menschen festnahmen. Zudem seien in den Hauptstraßen zahlreiche Panzerfahrzeuge unterwegs.
Man wolle mehr Einsatzkräfte zu den Oppositionsprotesten am Nachmittag im Stadtzentrum loszuschicken, so das Innenministerium. Am Vortag wurden bei Protesten nach offiziellen Angaben mehr als 90 Menschen festgenommen. Mehr als 30 von ihnen droht eine Strafe.
Auch in anderen Städten des zwischen Russland und EU-Mitglied Polen gelegenen Landes gab es Proteste gegen den autoritären Präsidenten. So war auf Videos in der Stadt Grodno an der Grenze zu Polen zu sehen, wie Uniformierte auf eine Gruppe von Demonstranten stürmten und Menschen auseinandertrieben. Es solle auch Tränengas eingesetzt worden sein, berichteten oppositionsnahe Kanäle im Messenger-Dienst Telegram. Zu sehen war zudem, wie auch ältere Frauen vor den Einsatzkräften wegliefen.
Den Sonntagsdemonstrationen hatten sich in den vergangenen Wochen Hunderttausende Teilnehmer angeschlossen. Die Proteste dauern bereits vier Wochen an – seit der umstrittenen Präsidentenwahl vom 9. August.
Die Demokratiebewegung fordert den Rücktritt Lukaschenkos. Ziel der Proteste ist es, die Freilassung von Gefangenen zu erreichen, die Polizeigewalt strafrechtlich verfolgen zu lassen und Neuwahlen zu erwirken.
Der 66-jährige Lukaschenko lehnt jedoch einen Dialog mit dem Koordinierungsrat der Bürgerbewegung ab. Die Demonstranten sehen die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja für die wahre Siegerin der Abstimmung an. Lukaschenko will aber nach einem angeblichen Sieg mit rund 80 Prozent der Stimmen im November eine sechste Amtszeit beginnen. Die EU erkennt die Wahl nicht an. APA