„Steigende Coronazahlen sind in Vorarlberg hausgemacht“

Gesundheitsexperte Fidler warnt vor zu radikalen Maßnahmen.
Wien Es geht wieder bergauf. Und das ist bei der Zahl von Coronainfizierten alles andere als die richtige Richtung. Mittlerweile liegt die Sieben-Tages-Inzidenz in Vorarlberg bei 63. Sie zeigt, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner in der vergangenen Woche als neu infiziert registriert worden sind. Genau vor einem Monat lag der Wert bei 18, kletterte bis 20. September auf 74 und sank eine Woche später auf rund 40. Im Oktober kam erneut die Kehrtwende. Auch die strengeren Maßnahmen, die seit zwei Wochen gelten, änderten nichts daran. Die Regeln reichen von einer strikteren Maskenpflicht bis zu Einschränkungen für Veranstaltungen aller Art.
Mitarbeit der Bevölkerung gefragt
Armin Fidler, der Vorarlberger Experte in der Coronakommission, erklärt, dass es bei jeder Maßnahme auch Verzögerungseffekte gebe: „Man kann nicht erwarten, dass ein Resultat gleich sichtbar wird.“ Er hält außerdem fest, dass die gesetzlich festgelegten Regeln bereits sehr gut eingehalten würden – ob es sich nun um die Sperrstundenvorverlegung in der Gastronomie, Höchstzahlen bei Events oder die Maskenpflicht handle. „Alles andere sind Empfehlungen.“ Hier müsse die Bevölkerung mitarbeiten. „Ich bekomme aber immer wieder Anekdoten zugespielt, wonach sich zum Beispiel 20 Leute ohne Schutz getroffen haben. Oder dass viele junge Leute offenbar nach der Sperrstunde in die Schweiz abwandern, weil es dort keine Sperrstunde gibt.“
Die steigenden Zahlen seien jedenfalls hausgemacht, hält der Gesundheitsexperte fest. „Dass es Einschleppungen aus dem Ausland gibt, war einmal.“ Neu ist ein gewisses Infektionsgeschehen an den Schulen: „Das war aber zu erwarten“, sagt Fidler.
Kapazitäten reichen noch aus
Es müsse weiterhin genau beobachtet werden, woher die Fälle kommen. Das funktioniere derzeit gut. In den Spitälern gebe es noch ausreichend Kapazitäten. Die Mortalität halte sich in Grenzen. Auch die Teststrategie sei wichtig und richtig. Hier zeige sich aber, dass der Anteil der positiven Fälle an allen Getesteten wieder steige. Am Freitag lag dieser Wert noch bei 1,99 Prozent. Mittlerweile sind mehr als drei von 100 Getesteten positiv. Ab einer Rate von fünf Prozent werde es schon kritisch, hält Fidler fest.
Nicht nur Corona im Scheinwerfer
„Wir müssen uns jetzt mit der Frage beschäftigen, wie wir die Entwicklung einfangen und die Sieben-Tages-Inzidenz wieder unter 50 drücken können.“ Der Gesundheitsexperte warnt allerdings davor, vorschnell allzu strenge Maßnahmen zu verlangen. „Wir können den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben.“ Es müssten auch die Kollateralschäden mitgedacht werden, also inwieweit die Maßnahmen etwa Gesundheitsschäden verursachten. Krankenhäuser müssten etwa für alle Behandlungen offen bleiben oder auch psychische, wirtschaftliche und soziale Folgen berücksichtigt werden.
„Wenn wir nur das Coronavirus in den Scheinwerfer stellen, liegt alles andere stark im Schatten“, mahnt Fidler. „Noch immer sterben mehr Leute am Rauchen oder an Freizeitunfällen.“ Covid-19 sei ein zusätzliches Risiko geworden. „Natürlich müssen wir handeln, aber gleichzeitig müssen wir auch die richtige Balance finden.“
Die Reisebeschränkungen seien ein Negativbespiel dafür. „Wenn ich nach Deutschland reise oder umgekehrt, ist das Risiko, dass ich mich anstecke minimalst. Der Schaden, der dieses Risiko anrichten würde, wäre geringfügig“, sagt der Gesundheitsexperte. Gänzlich anders ist es bei der deutschen Reisewarnung, die den heimischen Tourismus ordentlich ins Wanken bringen könnte. „Statt sich gegenseitig abzuschotten, wäre es wichtig, besser zusammenzuarbeiten. Wir leben in einem gemeinsamen Wirtschafts- und Kulturraum. Die Grenzen zu schließen ist ein völliger Topfen. Das bringt nichts außer großen Schaden.“
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.