Lingenaus neue Bürgermeisterin Carmen Steurer im VN-Interview
Carmen Steurer über ihre neue Rolle, die Auswirkungen der Coronakrise auf die Gemeinde und warum sie zuversichtlich auf das kommende Jahr blickt.
Lingenau Die neue Bürgermeisterin von Lingenau heißt Carmen Steurer. Sie wurde einstimmig gewählt und löste Annette Sohler als Gemeindechefin des 1535-Seelen-Ortes ab. Im VN-Interview spricht die 44-Jährige über die Wahl, warum sie in die Politik gegangen ist und welche Auswirkungen die Coronakrise auf Lingenau hat.
Konnten Sie sich schon in Ihre neue Rolle als Bürgermeisterin einleben?
Steurer Es ist noch etwas schwierig, weil es ziemlich überstürzt kam. Aber mittlerweile geht es.

Inwiefern überstürzt?
Steurer Überstürzt deshalb, weil ich aufgrund meiner Funktion als Gemeindesekretärin lieber nicht Bürgermeisterin werden wollte. Es hat sich dann aber herausgestellt, dass auch die anderen, die in Frage kamen, das Bürgermeisteramt wegen beruflicher Verpflichtungen und Perspektiven, die sie haben, nicht übernehmen konnten. Wir haben ja nach der Wahl nur vier Wochen Zeit und brauchten eine schnelle Lösung.
Sie werden das Amt in einem Jahr an Vizebürgermeister Philipp Fasser abgeben. Warum hat man sich für so eine ungewöhnliche Lösung entschieden?
Steurer Es ist schwieriger, jemanden zu finden, der erstens die Zeit und zweitens auch das Interesse hat. Wenn jemand im Berufsleben steht, kann er nicht von heute auf morgen alles liegen lassen und sich dann um eine Gemeinde kümmern. Philipp Fasser hat angeboten, dass er sich von seinen jetzigen Verpflichtungen freischaufelt und dann schaut, wie es mit dem Bürgermeisteramt weitergeht.

Sie sind eine der wenigen weiblichen Bürgermeisterinnen. Warum, glauben Sie, sind so wenige Frauen in der ersten Reihe der Gemeindepolitik?
Steurer Es ist nicht unbedingt ein sehr einfacher Job. Es ist nicht unbedingt sehr familienfreundlich, da viele Abendtermine und Termine untertags anstehen. Das schreckt vielleicht viele Frauen noch ab.
Was hat Sie persönlich dazu bewogen, in die Politik zu gehen?
Steurer Das war das Interesse an meiner eigenen Gemeinde, dass ich mitbestimmen kann, wie etwas funktionieren soll.
Es gibt in der Gemeindevertretung in Lingenau viele neue Gesichter. Elf der 15 Sitze wurden neu besetzt. Welche Chancen bringt ein neues Team? Gibt es auch Schwierigkeiten, sich einzuarbeiten?
Steurer Das sicher. Als Neuling ist es schwierig, sich mit Themen wie zum Beispiel Kanalverlegungen zu befassen. Aber es kommen auch neue Blickwinkel, man hat neue Sichtweisen auf verschiedene Themen. Es ergibt sich immer was Neues, wenn auch neue Gesichter dabei sind.
Welche Vorhaben wollen Sie als Übergangsbürgermeisterin angehen? Gibt es konkrete Projekte?
Steurer Auf Gemeindeebene gibt es bereits ein Projekt, das wir mit der alten Gemeindevertretung begonnen haben, nämlich der räumliche Entwicklungsplan. Dieser muss per Gesetz bis 2022 stehen. Das wird eines der ersten Projekte sein, die wir angehen müssen. Das wird aufgrund der Coronamaßnahmen schwierig werden, weil Bürgerbeteiligung gefragt ist. Da muss vieles neu überlegt werden.
Wie hat sich die Coronapandemie auf Lingenau ausgewirkt?
Steurer Wir spüren natürlich, dass viele Veranstaltungen wegfallen. Wir haben im Rahmen von „Gesundes Lingenau“ einige Kurse und Bewegungsveranstaltungen oder auch Dinge wie Jahreshauptversammlungen. Da fehlt schon einiges.
Gibt es finanzielle Einbußen?
Steurer Ja, vor allem bei den Ertragsanteilen ist es spürbar. Es wird sich noch zeigen, was da an Einbußen auf uns zukommt. Für die Gemeindemilliarde haben wir uns beworben und eine Zusage bekommen, und zwar für unsere Naturgruppe.
Durch Corona gab es auch Reisewarnungen. Für Lingenau ist der Tourismus wichtig. Wie hat sich das ausgewirkt?
Steurer Der Sommer war sehr gut, auch der Tagestourismus. Doch es ist immer noch Verunsicherung spürbar. Die Buchungslage hat durch die Reisewarnungen gelitten.
Mussten in der Gemeinde wegen der Krise Projekte verschoben werden?
Steurer Wir hatten keine sehr großen Projekte im Plan. Wir müssen schauen, was wir an Kleinprojekten so schnell wie möglich umsetzen können. Große Projekte werden erst in nächster Zeit kommen.
Heuer wurde in die Verkehrssicherheit investiert, in Lingenau fahren ähnlich viele Autos wie zum Beispiel in Alberschwende. Gibt es Verbesserungen?
Steurer Nein, der Verkehr nimmt stetig zu. Jeder von uns ist da ja Verursacher. Ich hoffe, dass es sich bessern wird, aber ganz wird man den Verkehr nicht eindämmen können.
Gibt es in Lingenau genug leistbaren Wohnraum?
Steurer Es könnte mehr sein. Es wäre schön, wenn es vor allem mehr verdichtete Wohnformen geben würde.
Sind Sie zuversichtlich für das kommende Jahr?
Steurer Herausforderungen sind auch immer Chance, um neue Wege zu finden, neue Gedanken zu fassen und sich auf andere Dinge zu konzentrieren, als das bisher möglich war.
Zur Person Carmen Steurer
Geburtstag: 1976
Beruf: Gemeindesekretärin
Laufbahn: seit 1996 Angestellte bei der Gemeinde Lingenau
Familienstand: ledig
Hobbys: Wandern, Reisen