Worum es bei der milliardenschweren Reform der EU-Agrarpolitik geht

EU-Staaten haben Kompromiss über “Ökoregeln” erzielt. Nun wird weiterverhandelt.
Luxemburg Fast zwei Tage lang haben die Agrarminister der europäischen Mitgliedsstaaten über eine Reform der Agrarpolitik verhandelt. Am Mittwoch konnten sie in Luxemburg eine Einigung verkünden: Ein Kompromissvorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft bekam grünes Licht. Auch das Europäische Parlament will diese Woche eine endgültige Linie festlegen. Dann wird weiterverhandelt.
Zusätzliche “Ökoregeln”
Konkret geht es um einen Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2018 zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) für 2021 bis 2027. In den nächsten zwei Jahren gilt eine Übergangsphase, sodass die neuen Regeln erst ab 2023 in Kraft treten. Demnach sollen die Staaten unter anderem mehr Freiheiten bekommen, wie sie eine Reihe vorgegebener Ziele erreichen wollen – etwa die Erhaltung der Natur, den Klimaschutz und die Sicherung der Lebensmittelqualität. Dazu sind sie angehalten, nationale Pläne zu erstellen, die von der EU-Kommission genehmigt werden müssen. Die Staaten sollen über die verpflichtenden Anforderungen hinaus weitere „Ökoregeln“ erstellen. Erfüllt ein Landwirt diese, bekommt er mehr Geld.
Zuletzt spießte es sich in den Verhandlungen bei den Fragen, ob die Staaten die „Ökoregeln“ verpflichtend anbieten müssen und wie viel Geld dafür reserviert werden soll. Die Einigung der Agrarminister sieht vor, 20 Prozent der Direktzahlungen für diesen Zweck zu binden. Dafür ist eine zweijährige Lernphase vorgesehen. Das EU-Parlament fordert 30 Prozent. Im Trilog-Verfahren müssen die Positionen zwischen Kommission, Rat und Parlament verhandelt werden. Eine Einigung wird im Frühjahr 2021 erwartet. Der Agrarhaushalt macht etwa ein Drittel des EU-Budgets aus. Bis 2027 haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro vorgesehen. Nach den bisherigen Regeln geht ein Großteil der Agrarmilliarden in der sogenannten ersten Säule als Direktzahlungen an die Bauern. Die Summe richtet sich vor allem nach der Größe der bewirtschafteten Fläche. Ein kleinerer Teil fließt in der zweiten Säule unter anderem in die Entwicklung des ländlichen Raums.
Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) lobte den Kompromiss der Mitgliedsländer. “Das Ergebnis ist ein wesentlicher Schritt in Richtung mehr Klima- und Umweltschutz in der europäischen Agrarpolitik und gleichzeitig bekommen die Bäuerinnen und Bauern die Mehrleistungen abgegolten.“ Auch Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger (ÖVP) spricht von einem zufriedenstellenden Ergebnis. „Es stellt sicher, dass der bisherige nachhaltige österreichische Weg berücksichtigt wird.“ Österreich habe ein starkes und nachhaltiges Umweltprogramm. „Wir wollen diesen Weg in Zukunft bei wettbewerbsfähiger Landwirtschaft beibehalten.“
Umweltschützer empört
Daniel Allgäuer (FPÖ), Landwirtschaftssprecher im Landtag, viele Jahre selbst Landwirt und seit Kurzem Feldkirchs Vizebürgermeister, hält es zwar prinzipiell für legitim, Umweltbedingungen an die Zahlungen zu knüpfen. Doch dies müsse sich auch im Produzentenpreis bemerkbar machen. Sonst könnten die heimischen Landwirte nicht konkurrenzfähig sein. „Wenn man Standards immer wieder hinaufschraubt, hat das auch für Importe zu gelten.“ Umweltschutzorganisationen geht die Reform hingegen nicht weit genug. Der WWF ortet eine “Katastrophe für Natur- und Klimaschutz”. Greenpeace zufolge wurde die “ohnehin schon schwache Vorlage der EU-Kommission bis zur Unkenntlichkeit verwässert”.
In Vorarlberg hatte im EU-Haushaltsjahr 2018/19 die Vorarlberg Milch eGen im Eigentum von 505 Mitgliedern aus der Landwirtschaft die höchste Agrarförderung bekommen (die VN berichteten). Laut der EU-Transparenzdatenbank erhielt der Milchproduktehersteller im Berichtszeitraum 2,5 Millionen Euro. Auf Platz zwei befand sich die Landwirtschaftskammer Vorarlberg und ihr zuzurechnende Einrichtungen mit insgesamt fast 839.000 Euro. In den meisten Fällen handelt es sich bei den Förderungsempfängern um Privatpersonen.
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