Tourismusministerin Köstinger: “Für Kontaktpersonen wären fünf Tage Quarantäne ausreichend”

Ressortchefin fordert ihren Regierungskollegen Anschober auf, die Teststrategie zu hinterfragen.
Wien Für Kontaktpersonen sind fünf Tage Qurantäne genug, sagt Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Die Betroffenen sollen sich freitesten können. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sei gefordert, eine entsprechende Lösung zu finden. Es sei an der Zeit, die aktuelle Teststrategie zu hinterfragen, sagt Köstinger im Interview mit den Vorarlberger Nachrichten und der Tiroler Tageszeitung. Weitere Themen: Die Maskenpflicht gilt auch beim Anstellen vor dem Sessellift oder der Seilbahn. Wer den Abstand nicht einhält, könnte bestraft werden. Die Seilbahnbetreiber müssten noch mehr Personal dafür abstellen, das Sorge dafür trage, dass die Menschen Abstand halten.
Bilder von Menschenmengen auf dem Hintertuxer und Stubaier Gletscher sorgten für Aufregung. Vor den Liften und Seilbahnen war keine Spur von Mindestabstand. Da halfen auch Absperrgitter und Markierungen nichts. Worauf müssen sich die Schigebiete angesichts dieser Bilder einstellen?
Die Seilbahnen haben umfassende Sicherheitskonzepte und Vorkehrungen getroffen. Sie müssen aber noch besser werden, indem sie Personal abstellen, das dafür Sorge trägt, dass die Menschen Abstand halten. Sie können sicher sein, dass ich mit den Seilbahnbetreibern darüber sehr eindringlich gesprochen habe.
Wird es eine finanzielle Unterstützung für zusätzliches Personal geben?
Zurzeit geht es generell eher darum, ob eine Wintersaison überhaupt möglich ist. Tourismus ohne Gäste funktioniert nicht und die Lage ist aufgrund der Reisewarnungen prekär. Wir schauen uns permanent an, wo es zusätzliche Hilfestellungen braucht. Mit dem Fixkostenzuschuss müssten die hauptbetroffenen Branchen aber abgedeckt sein. Die EU-Kommission muss ihn nur noch genehmigen.
Der Mindestabstand kehrt in die Verordnung zurück. Kann es passieren, dass die Polizei zur Talstation kommt und Leute, die zu wenig Abstand halten, rausfischt und bestraft?
Natürlich sind auch Strafen vorgesehen. Die Exekutive versucht das so umgänglich wie möglich zu handhaben. Es liegt aber auch an jedem Einzelnen, dass er den Abstand einhält. Mit der neuen Verordnung kommt auch die Maskenpflicht beim Anstellen.
Wenn ich auf die Seilbahn oder den Sessellift warte, heißt es also, Sturmmaske hoch, Schal hoch oder Maske rauf?
Ja, das wird verpflichtend.
Wird es eine Möglichkeit geben, Personen von der Beförderung auszuschließen, wenn sie sich nicht an den Abstand halten?
Es braucht keinen Erlass zum Ausschluss von Gästen. Die Regeln sind sehr klar und müssen eingehalten werden. Aber es stimmt. Die Seilbahnbetreiber haben keine Exekutivgewalt. Sie können die Leute auffordern, Abstand zu halten. Eingreifen kann im Notfall die Exekutive. So weit sollte es aber nur in Ausnahmefällen kommen.
Was muss passieren, dass Schigebiete nicht aufsperren können?
Wir werden alles dafür tun, dass eine sichere Wintersaison möglich sein wird. Nicht einmal zwei Prozent der Infektionen stammen aus der Beherbergung und Gastronomie. Die Wirte und Hotelbetreiber tun alles dafür, dass die Gäste gesund bleiben.
Wenn so wenige Infektionen aus Hotellerie und Gastro stammen: Warum dann die strengeren Maßnahmen?
Die schon bisher strengen Maßnahmen in diesem Bereich sind ja verantwortlich dafür, dass es da wenige Infektionen gibt. Wir haben jetzt auch geregelt, dass es vor dem Lokal nach der Sperrstunde ein Alkoholverbot gibt. Die Personenbegrenzungen gelten zudem ja nicht nur für den Gastrobereich, sondern gehen darüber hinaus.
Bringt die Vorverlegung der Sperrstunde etwas?
Wir haben die bundesweite Sperrstunde bei ein Uhr früh gelassen. Es steht den Bundesländern frei, Verschärfungen zu treffen. Ich verstehe es aus touristischer Sicht, dass sie das tun. Die Landeshauptleute versuchen alles, um die Wintersaison zu retten.
Der Tiroler Unternehmer Christian Harisch forderte – mit Ausnahme von Handel und Gewerbe – einen dreiwöchigen Lockdown im November, um den Wintertourismus in Gang zu bringen. Wäre das eine Option?
Wir werden alles dafür tun, einen zweiten Lockdown zu vermeiden. Ich halte es aber nicht für zielführend, jetzt Tourismus und Gastronomie zu schließen.
Was sind die Indikatoren für einen Lockdown? Hängt es von der Zahl der Bettenbelegung in den Intensivstationen ab?
Natürlich ist das Gesundheitssystem für uns der wichtigste Faktor in dieser Pandemie. Die Zahl der Hospitalisierten und die Belegung der Intensivbetten steigen.
Aber gibt es konkrete Werte, die nicht überschritten werden dürfen?
Unser oberstes Ziel ist es, einen Lockdown zu vermeiden. Dafür werden wir alles tun, was notwendig ist.
Deutschland hat für ganz Österreich außer Kärnten eine Reisewarnung erlassen. Ein Hoffnungsschimmer für den Tourismus findet sich aber in der deutschen Musterquarantäneverordnung. Demnach kann Deutschland für Länder, die ein ähnliches Infektionsgeschehen haben, Ausnahmen beschließen.
Das ist ein Hoffnungsschimmer. Die Quarantänemusterverordnung sieht auch Ausnahmen für Länder vor, die besondere Präventions- und Hygienekonzepte haben. Da können wir im Tourismus einiges vorweisen.
Wie verläuft der Dialog mit Deutschland?
Wir sind laufend im Gespräch.
Wenn Deutschland eine Ausnahme für Österreich beschließt, könnte die Quarantäne mit einem negativen Test umgangen werden. Gibt es Überlegungen, dass Österreich die Testkosten für Urlauber übernimmt?
Viele Betriebe machen das auf eigene Kosten. Wir haben das größte Präventivtestprogramm für Beschäftigte im Tourismus aufgelegt, damit Gäste sich sicher fühlen können. Die Ausweitung auf die Gäste müssten wir prüfen. Ich würde es aber grundsätzlich als sehr wichtig erachten, dass es die Möglichkeit des Freitestens gibt. Das betrifft nicht nur Reiserückkehrer, sondern vor allem Kontaktpersonen.
Sie wären grundsätzlich dafür, dass in Österreich die Quarantäne mit Freitesten verkürzt werden kann?
Die Regelung, die wir derzeit für direkte Kontaktpersonen (K1) einer infizierten Person haben, ist nicht praktikabel. Die Situation wird sich in den nächsten Monaten auch noch verschärfen, weil jede K1-Person zehn Tage in Quarantäne muss. Dänemark zeigt vor, dass es auch anders geht. Eine Quarantäne von fünf Tagen und ein negativer PCR-Test sind aus meiner Sicht ausreichend, um freigetestet zu sein.
Eine kürzere Quarantäne also für Kontaktpersonen.
Ja, nicht für Infizierte, nur für Kontaktpersonen. Das wäre vor allem für die Betriebe, Lokale und die Hotels enorm wichtig.
Man sollte am fünften Tag getestet werden und könnte bei einem negativen am sechsten Tag raus?
Genau. Der Gesundheitsminister ist speziell hier gefordert, eine Lösung zu finden. Ich glaube, es ist höchstens an der Zeit, Dinge wie die Teststrategie wieder zu hinterfragen und zu überprüfen.
Der Vorarlberger Tourismuslandesrat Christian Gantner (ÖVP) erklärte, er wisse von Überlegungen, juristisch gegen die Reisewarnung aus Deutschland vorzugehen. Kennen Sie solche Überlegungen?
Das geht nicht von unserer Seite aus. Wir setzen auf Kooperation mit unseren Nachbarstaaten und sind in guten Gesprächen mit der deutschen Bundesregierung. Wir versuchen eine Ausnahme zu erwirken und im Sinne der sicheren Gastfreundschaft in unseren Betrieben zu argumentieren.
Wäre ein juristisches Vorgehen gegen Deutschland eher eine Eskalation?
Wir setzen auf Kooperation und konstruktive Gespräche.
Das Kitzloch in Ischgl hat noch am Donnerstag auf seiner Webseite wieder mit Après-Ski geworben. Heuer werde es zwar anders als in den Jahren zuvor, steht dort, danach kommen aber Inhalte wie „Tanzen Sie sich die Müdigkeit aus den Beinen und schließen Sie neue Freundschaften in einer lockeren Atmosphäre“. Ist das klug?
Nein, das ist nicht klug. Après-Ski, wie wir es aus der Vergangenheit kennen, wird es heuer in Österreich auch definitiv nicht geben. Der Mindestabstand ist einzuhalten, der Konsum von Speisen und Getränken nur an Sitzplätzen erlaubt.
Ist es ratsam für die Betriebe, so zu werben?
Nein. Die Verantwortungslosigkeit weniger gefährdet zurzeit die Existenz von vielen.
Im Frühjahr wurde der außerordentliche Zivildienst genutzt, um mögliche Engpässe zu kompensieren. Wird dieser reaktiviert?
Für uns ist der Zivildienst die strategische Reserve im Gesundheitssystem. Aktuell sind die Kapazitäten im Pflege- und Gesundheitssystem ausreichend vorhanden. Es ist derzeit nicht geplant, den außerordentlichen Zivildienst einzusetzen.
Das Interview wurde von Birgit Entner-Gerhold (Vorarlberger Nachrichten) und Cornelia Ritzer (Tiroler Tageszeitung) geführt.
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