Wir sind noch mal davongekommen
In zehn Tagen ist Weihnachten, in 19 Tagen geht ein ziemlich schreckliches Jahr zu Ende, aber vieles ist diesseits und jenseits des Atlantiks geregelt: Der Impfstoff gegen das Coronavirus ist im Anmarsch. Der Brexit-Schwachsinn schlingert seinem Finale entgegen. Auch geben wir alle, mangels Gelegenheit, weniger Geld für überflüssige Weihnachtsgeschenke aus. Und das US-Wahlgremium stellt dem abgewählten Präsidenten Trump heute den Räumungsbefehl fürs Weiße Haus zu.
Alles Liebe, Gute und Schöne also, vom Frieden auf Erden mal abgesehen? Nein, nicht ganz. In Wahrheit werden uns die Schrecken des „annus horribilis“ noch länger beschäftigen. Es werden noch viele Menschen sterben müssen: Weil es mit dem Impfen und dem Impfschutz nicht so schnell geht. Und weil viele anti-Masken- und Querdenker-Verirrte der vakzinalen Lebensrettung ins löbliche Handwerk pfuschen. Was auf unbestimmte Zeit noch bleiben wird, sind auch Wirtschaftskrise, hohe Arbeitslosigkeit, finanzielle Notlagen und die berechtigte Angst vor der Zukunft für viele. Und die Brexit-Sache macht die Reise in eine erquicklichere Zukunft auch nicht leichter.
In Wahrheit werden uns die Schrecken des „annus horribilis“ noch länger beschäftigen.
Immerhin geht der vierjährige Albtraum des in der Weltgeschichte unsägliches Unheil stiftenden US-Präsidenten Trump langsam vorbei: Am 20. Jänner wird ein Hoffnung machender Nachfolger sein Amt antreten. Aber das Erbe des narzisstischen Psychopathen entzieht sich einer nüchternen Beschreibung: Wegen seiner kaltblütigen Verharmlosung der Corona-Pandemie, seinem bedenkenlosen Behindern von Wissenschaftlern und Hilfsmaßnahmen mussten womöglich 100.000 Amerikaner sterben, die hätten gerettet werden können. Wie muss man einen solchen Täter nennen?
Trump ließ auch mehr Menschen hinrichten als jeder andere US-Präsident der vergangenen 130 Jahre. Auch sechs Verurteilte sollen nach seiner Abwahl noch sterben. Nur, damit Biden sie als entschiedener Gegner der Todesstrafe nicht leben lassen kann?
Der Abgang Trumps, des Serien-Bankrotteurs, Kumpan von Diktatoren und Kriminellen in höchsten Staatsämtern, der mehr Sekten-Chef als demokratische Regeln achtender Politiker war, der offenen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und andere Widerwärtigkeiten „hoffähig“ machte, erfordert weltweit eine gigantische Müllabfuhr. Sein perfider Plan, sich putschartig nach Wahlniederlage im Amt zu halten, ist zum Glück gescheitert. Aber seine verblendeten Anhänger im US-Wahlvolk und seine willigen Helfer im Parlament sind noch da. Den Kampf gegen die Tentakel des Trumpismus darf die Welt nicht nur den gutwilligen Amerikanern überlassen.
Immerhin ist das Schlimmste jetzt überwunden. Die US-Nation und die Welt sind auf dem steinigen Weg in eine bessere Zukunft mit Lösungen für drängende Probleme und ohne Corona. Damit sind die meisten von uns kurz vor dem Ende eines schrecklichen Jahres 2020 noch einmal davongekommen.
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