Einfach Weihnachten
Es ist die wohl bekannteste Geschichte der Welt: Jene der Herbergssuche von Maria und Josef mit ihrem noch ungeborenen Kind. Über zwei Milliarden Menschen feiern morgen als Christen die Geburt des Sohn Gottes. Für viele mehr ist das Weihnachtsfest fixer Bestandteil ihrer Kultur und willkommener Höhepunkt des Jahres. Doch heuer feiern wir alle Weihnachten anders. Mit weniger Menschen, weniger Geschenken, weniger Reisen, weniger Rummel. Es wird ein stilles, besinnliches Weihnachten. Im Grunde so, wie es in vielen anderen Geschichten beschrieben wird. Aber wir haben uns das nicht selbst ausgesucht. Ein Virus zwingt uns dazu.
Zu einem Fest der Nächstenliebe und des Friedens wird Weihnachten trotzdem nicht. Corona fordert von manchen von uns heuer mehr Bescheidenheit, mehr Verzicht. Für andere stellt die Pandemie eine reale Gefahr dar, viele haben bereits Lebensgrundlage oder gar ihr Leben verloren. Doch Mitgefühl ist keine Nebenwirkung des Virus. Bilder von frierenden Kindern und Familien ohne Herberge in Griechenland buhlen mit staatlichen Gesundheitsplänen und vorgezogenem Brexit-Chaos um Aufmerksamkeit. Corona dient nur zu gerne als Ausrede für den Vorrang nationaler Interessen, zuerst kommen die eigenen Leute. Die nun plötzlich zu einem Glück gezwungen werden, das viele gar ablehnen. Impfungen zum Beispiel. Doch Viren lassen sich ebenso wenig wie Krieg und Umweltzerstörung durch Grenzen aufhalten.
Weihnachten ist die Zeit der Einkehr, manchmal auch der Umkehr. Bei der hartherzigen Politik gegenüber den Kindern aus Moria wünschen sich viele ein Weihnachtswunder. Selbst innerhalb der ÖVP zweifeln immer mehr daran, ob Hilfe vor Ort wirklich genügt. Es wäre der richtige Zeitpunkt, auf Grundsatzdiskussionen zu verzichten und einfach nur barmherzig zu ein. Es gäbe die richtigen Worte, ausgesprochen von höchsten Würdenträgern wie den Bischöfen oder dem Bundespräsidenten. Die Aufnahme von Familien aus Kara Tepe würde zumindest das Schicksal für eine Handvoll Menschen am Ende eines denkwürdigen Jahres zum Besseren wenden. Selbst wenn nicht alle gerettet werden können, so dürfen wir nicht die Augen vor dem offensichtlichen Leid verschließen.
Glänzende Kinderaugen und glückliche Familien sind auch so ein Weihnachtsklischee. Dieses Jahr war nichts einfach, aber ein paar Familien eine Herberge zu bieten, müsste uns doch gelingen.
„Selbst innerhalb der ÖVP zweifeln immer mehr daran, ob Hilfe vor Ort wirklich genügt.“
Kathrin Stainer-Hämmerle
kathrin.stainer-haemmerle@vn.at
FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.
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