Mr. Trump wird nicht verschwinden
Enthemmte, hasserfüllte Menschen greifen das Herz der amerikanischen Demokratie an, natürlich allesamt auch mit ihren Smartphones bewaffnet, um ihren Triumph zu filmen: Der Angriff von Trump-Fans auf das Kapitol in Washington, von ihrem abgewählten Präsidenten aufgehusst und angelogen („Die Wahl wurde uns gestohlen!“), schien beim Zusehen auf CNN oder Social Media ein einziger wahr gewordener Albtraum. Bei aller Erleichterung darüber, dass ein großes Blutbad noch verhindert werden konnte – dies ist kein Ereignis, das so nie wieder passieren könnte; und die Trump-Truppen sind nicht nur Irre oder lächerliche Figuren.
Zwischen den typischen Rednecks oder den sogenannten „Proud Boys“, einer rechtsextremen Organisation, finden sich viele Leute mit bürgerlichem Hintergrund, die für Verschwörungsideen anfällig sind. Man darf sich also nicht davon täuschen lassen, dass die Feinde der Demokratie heute keine schnittigen SS-Uniformen tragen – ja, ein Mann mit Fellkostüm und Hörnern am Kopf kann ein gefährlicher Rechtsextremer sein. Solche Leute verachten den Staat, sie wollen ihn zerstören und ein anderes System errichten.
Und sie werden nun nicht einfach Ruhe geben, genausowenig wie Donald Trump selbst. 74 Millionen Menschen haben ihn im November gewählt, wie soll man sie in den Diskurs zurückholen? Eine nahezu unlösbare Aufgabe für den neuen Präsidenten Joe Biden. Denn es geht bei der extremen Polarisierung der Gesellschaft weniger um die Person Trump, sondern um die Idee Trump. Der brachiale Politiker war nicht der alleinige Ursprung für die Spaltung der USA, sondern eben jene Persönlichkeit, in der sich die bereits davor existierende Spaltungstendenzen perfekt manifestiert haben.
Trump wird jetzt nicht in die Welt des Golfspiels verschwinden. Seine Mission ist noch nicht beendet, zumindest nicht in seiner Wahrnehmung. Ihn von Twitter, Facebook und Co. zu verbannen, wird ihn auch nicht verschwinden lassen. Wer glaubt, die Idee Trump würde nicht mehr existieren, nur weil wir ihn nicht auf den gängigen Kanälen toben sehen, ist naiv. Der unsichtbare Mr. Trump wird Wege finden, abseits des Mainstreams, dort wo sich gefährliche Verschwörungsgläubige tummeln. Und im Umgang mit einem gefallenen US-Präsidenten, der sich jenseits des demokratischen Systems herumtreibt, gibt es bisher keinerlei Strategie.
„Es geht bei der extremen Polarisierung der Gesellschaft weniger um die Person Trump, sondern um die Idee Trump.“
Julia Ortner
julia.ortner@vn.at
Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln und lebt in Wien. Podcast: @ganzoffengesagt
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