Russland drohen neue Sanktionen

Nach umstrittenem Nawalny-Prozess nimmt Kritik an Moskau zu.
moskau Trotz weltweiter Kritik an der Verurteilung des Kremlgegners Alexej Nawalny sieht Russland keinen Grund zum Handeln. „Diese Hysterie über den Nawalny-Prozess ist völlig übertrieben“, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch in Moskau. „In Bezug auf Russland – und nicht nur, was Nawalny angeht – ist die westliche Berichterstattung selektiv und einseitig.“ Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sprach hingegen auf Ö1 von einer Täter-Opfer-Umkehr und einem „gewaltigen Schaden in unseren Beziehungen“. Die Europäische Union könnte gezielte Sanktionen ins Auge fassen. Andere Gesprächskanäle sollten aber offen bleiben. Zuvor hatten sich bereits Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kritisch geäußert.
Nawalny war am Dienstag in einem international kritisierten Prozess zu dreieinhalb Jahren Haft im Straflager verurteilt worden. Ihm werden aber ein mehrmonatiger Hausarrest und Haftzeiten angerechnet, sodass seine Anwälte von zwei Jahren und acht Monaten im Straflager ausgehen. Nach dem Richterspruch hatte es vor allem in Moskau und in St. Petersburg spontane Massenproteste mit teils massiver Polizeigewalt und Verletzten gegeben. Menschenrechtler sprachen von mehr als 1400 Festnahmen. Bereits am vergangenen Sonntag waren demnach landesweit rund 5700 Menschen in Polizeigewahrsam gekommen.
In der EU werden bereits seit dem vergangenen Monat neue Sanktionen gegen Russland diskutiert. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis geht von einem breiten Konsens aus. „Ich glaube, da eine echte Haftstrafe schon verhängt worden ist, sollten die Sanktionen praktisch automatisch und ohne größeren Widerstand der europäischen Minister in Kraft treten“, sagte er im litauischen Radio. „Weitere Sanktionen sind nicht ausgeschlossen“, meinte auch der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
Nawalny war nach dem Attentat mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok monatelang in Deutschland behandelt worden. Der 44-Jährige macht für den Anschlag im August Putin und Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Putin und der FSB wiesen das zurück.
