Neßler: „Gesundheit ist wichtiger als ein paar mehr verkaufte Skikarten“

Grüne Tourismussprecherin hätte sich strengere Kontrollen in Tirol gewünscht: „Wir fahren derzeit auf halbe Sicht.“
Wien Barbara Neßler ärgert sich über den Imageschaden für Tirol. Die immer wiederkehrenden negativen Schlagzeilen helfen sicher nicht, sagt die Nationalratsabgeordnete, Tourismussprecherin und einstige Tiroler Spitzenkandidatin der Grünen. „Wenn einige nach außen das Bild vermitteln, dass nur der Profit zählt, schadet das auch dem Vertrauen“, hält die Vorarlbergerin fest. Auf die Frage, ob die Seilbahnen wirklich öffnen mussten, antwortet sie: „Ich kann aber jeden verstehen, der gerne Skifahren geht.“ Problematisch sei jedoch gewesen, dass die Sicherheitskonzepte zu Beginn nicht funktioniert hätten. „Das andere Problem ist, dass offene Skigebiete den illegalen Tourismus anziehen.“
Zuerst Ischgl, dann der illegale Tourismus, jetzt die Südafrika-Variante. Warum gerät Tirol in der Coronakrise immer wieder in den Fokus?
Der Unmut richtet sich nicht gegen ein Bundesland oder gegen die Tirolerinnen und Tiroler, sondern gegen jene Personen, die lautstark gegen jegliche wissenschaftliche Evidenz auftreten. Damit meine ich zum Beispiel illegale Zimmervermieter, Personen, die nach Südafrika zum Golfspielen fliegen und auch Personen wie Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser. Ihr Handeln fügt dem Bundesland Schaden zu.
Ist der Imageschaden nachhaltig?
Die immer wiederkehrenden negativen Schlagzeilen helfen sicher nicht, auch nicht fragwürdige Aussagen der Seilbahnlobby wie jene von Franz Hörl, man solle die Personenbeschränkungen in der Gondel aufheben. Wenn einige nach außen das Bild vermitteln, dass nur der Profit zählt, schadet das nicht nur dem Image, sondern auch dem Vertrauen.
Was muss sich nun ändern?
Es braucht einen krisen- und klimafitten Tourismus. Der Tourismus hat mittlerweile einen Wachstumswahn angenommen, der weder für die Bevölkerung, noch für die Natur, noch für die Branche gesund ist. Die gegenseitige Konkurrenz und der Investitionsdruck sind massiv. Wir müssen weg von einer Tourismuswirtschaft hin zu einer Tourismuskultur. Die Förderstruktur muss sich ändern und es braucht ein touristisches Raumordnungsprogramm. Der Erfolg des Tourismus darf sich nicht nur an Nächtigungszahlen messen, sondern auch an der Qualität, der Wortschöpfung für die Region, der Zufriedenheit der Angestellten und Gäste, …
War es ein Fehler, die Seilbahnen zu öffnen?
Ein gemeinsames Vorgehen auf EU-Ebene wäre sinnvoll gewesen. Ich kann aber jeden verstehen, der gerne Skifahren geht. Ein Problem war, dass die Sicherheitskonzepte zu Beginn nicht funktioniert haben. Das andere Problem ist, dass offene Skigebiete den illegalen Tourismus anziehen. Die ganze Bevölkerung leidet darunter. Ihre Gesundheit ist aber wichtiger als ein paar mehr verkaufte Skikarten.
Waren die Kontrollen zu lasch?
Die lokalen Gesundheitsbehörden hätten strenger kontrollieren und schneller reagieren müssen.
Braucht es strengere Regeln?
Im Prinzip gibt es schon Strafen von bis zu 30.000 Euro. Wenn das keine Abschreckung ist, muss die lokale Gesundheitsbehörde mehr kontrollieren.
Wir haben viele unterschiedliche Zahlen zur Verbreitung der südafrikanischen Virusvariante gehört. Warum mangelt es so an Transparenz?
Das Gesundheitsministerium ist sicher um Transparenz bemüht. Nach Einschätzung der Experten liegen wir derzeit bei 293 Fällen in Tirol.
Gehen die Empfehlungen der Bundesregierung weit genug?
Wir fahren derzeit auf halbe Sicht. Klar ist: Je weniger Mobilität, desto weniger Ansteckung. Wichtig ist, dass beim Ein- und Ausreisen breit getestet wird und wir die Entwicklungen in den kommenden Tagen genau beobachten. Gleichzeitig müssen wir die psychosozialen Faktoren berücksichtigen und die Schulen offenbleiben.
Können Zutrittstests zu Gondeln funktionieren?
Wir werden sehen, wie sich das in der Praxis gestaltet. Es ist aber sinnvoll, in allen Bereichen auf Nummer sicher zu gehen.