Abschiebungen: Wer denkt an das Kindeswohl?

Politik / 19.02.2021 • 20:00 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
"Zu den geschilderten Fällen kann doch niemand sagen, das passt schon. Recht muss Recht bleiben", sagt Irmgard Griss bei Vorarlberg Live.
"Zu den geschilderten Fällen kann doch niemand sagen, das passt schon. Recht muss Recht bleiben", sagt Irmgard Griss bei Vorarlberg Live.

Kommissionsvorsitzende Griss ortet im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Mängel.

Wien Die nächtliche Abschiebung von drei Wiener Schülerinnen sorgte für Empörung. Sprachlosigkeit herrschte über die Trennung eines Vaters und seines Dreijährigen von der schwangeren Mutter in Sulzberg. Nicht rechtmäßig war die Außerlandesbringung eines Lustenauer Lehrlings, der nun in Pakistan auf seine Rückkehr wartet. Politik mit Herz und Hirn sieht laut Vizekanzler Werner Kolger (Grüne) anders aus. Auch die frühere Höchstrichterin Irmgard Griss glaubt, dass in Österreich Nachholbedarf besteht. “Zu diesen geschilderten Fällen kann doch niemand sagen, das muss halt sein. Das passt schon. Recht muss Recht bleiben.” Im Falle des Lustenauer Lehrlings sei sogar Recht zu Unrecht geworden.

“Diskussion versachlichen”

Griss ist die Vorsitzende der neuen Kinderrechtekommission. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der Justizministerin Alma Zadic vertritt, hat sie eingesetzt. Ziel sei es, Klarheit zu schaffen, die Diskussion zu versachlichen und aufzuzeigen, ob es bei der Wahrung von Kinderrechten und Kindeswohl in Österreich Nachholbedarf gibt, erklärt Griss bei Vorarlberg Live. Sie übernimmt die Funktion ehrenamtlich und will den Kommissionsbericht noch vor dem Sommer veröffentlichen.

Die frühere Richterin glaubt, dass die Rechtslage ausreichend sein könnte, wenngleich sie bedauert, dass nicht alle Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention in Österreich Verfassungsrang haben. “Bei der Rechtspraxis ist das große Problem, dass gleichgelagerte Fälle immer wieder verschieden beurteilt werden. Das verursacht Unbehagen.” Griss verweist etwa auf die Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. “Ein größerer Teil wird vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben. Da gibt es sicher Mängel.” 

Regionales Mitspracherecht

Die Kommission möchte sich außerdem mit den Erfahrungen anderer Länder auseinandersetzen. “Da gibt es zum Beispiel Kinderombudsleute oder Härtefallkommissionen.” Griss meint, dass ein gewisses Mitspracherecht auf Gemeinde- oder Landesebene bei Härtefällen sinnvoll wäre. Die Abschiebung von Lehrlingen in Mangelberufen sieht die Juristin kritisch: “Warum schicken wir Leute weg, deren Qualifikation dringend benötigt wird und die bewiesen haben, dass sie sich integrieren? Da schneiden wir uns doch ins eigene Fleisch.” 

Das Gespräch mit Irmgard Griss können Sie ab Minute 34 nachsehen.

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