Machtmissbrauch
Für Finanzminister Gernot Blümel hat die Unschuldsvermutung zu gelten, wie auch seine Partei, die ÖVP, betont. Sie geht sogar so weit, Bürgerinnen und Bürger, die in sozialen Medien zu mutmaßlichen Vorverurteilungen schreiten, mit einer Klage zu drohen. Man könnte auch vom Versuch sprechen, sie stummzuschalten. Politisch ist das problematisch. Zumal die ÖVP selbst die Justiz mit einer Unterstellung nach der anderen eindeckt.
„Die ÖVP pocht auf die Unschuldsvermutung und deckt die Justiz mit einer Unterstellung nach der anderen ein.“
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sieht bei Blümel einen so gravierenden Tatverdacht der Bestechlichkeit, dass sie ihn als Beschuldigten führt und – mit richterlicher Genehmigung – eine Hausdurchsuchung vorgenommen hat. Dem trat Blümel öffentlich mit einer eidesstattlichen Erklärung entgegen, in der er betonte, dass weder an die ÖVP noch an ÖVP-nahe Vereine Spenden eines Glücksspielkonzerns geflossen seien.
So weit, so gut. Was die Österreichische Volkspartei von Bundeskanzler Sebastian Kurz dazu treibt, seit Bekanntwerden dieser Geschichte die WKStA anzupatzen, in ihrer Glaubwürdigkeit anzugreifen und so zu tun, als wäre hier eine parteipolitisch motivierte Hetzjagd gegen Blümel im Gang, ist schleierhaft.
Unnötige Spekulationen
Sie erweist sich damit einen Bärendienst. Sie schwächt zumindest Blümels Position. Als Beschuldigter kann man seine Unschuld beteuern; wobei es nicht schadet, wenn man seelenruhig ein paar Belege über den Tisch wandern lassen kann. Aber die Staatsanwaltschaft öffentlich attackieren? Das nährt bloß unnötige Spekulationen, wonach es in Wirklichkeit nur darum gehe, vorsorglich ebendiese Staatsanwaltschaft bzw. ein unliebsames Ergebnis zu diskreditieren, zu dem sie gelangen könnte.
Die ÖVP befindet sich seit 34 Jahren in der Regierung. Davon hat sie zuletzt bis Mitte 2019 über mehr als zehn Jahre hinweg den Justizminister oder die Justizministerin gestellt. In dieser Zeit hatte sie kein wahrnehmbares Problem mit Ermittlungsbehörden. Ausschließlich bei der WKStA, die nun einmal dafür da ist, gegen mögliche Korruption vorzugehen, ist das anders; und zwar auch in diesem Fall nur dann, wenn Schwarze oder Türkise unter Druck geraten. Das lässt tief blicken.
Schlimmer noch ist, dass Vertreter dieser Volkspartei ihre Machtposition missbrauchen. Oder treten Bundeskanzler Kurz und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler ebenso kämpferisch als Sprecher eines Beschuldigten auf, wenn er nicht Blümel, sondern Hinz oder Kunz heißt und vielleicht gar noch Roter, Grüner, Blauer oder Pinker ist? Aber wo. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf Medien, können sich jederzeit an ein Millionenpublikum wenden und sich um Stimmungen bemühen, ganz wie es ihnen gefällt.
Umso befremdlicher ist es, dass sie aufschreien, wenn bei der noch immer schier undurchschaubaren Politikfinanzierung in Österreich, die sie maßgeblich zu verantworten haben, Zweifel auftauchen; und wenn sie, die mit der Bundesregierung und einer parlamentarischen Mehrheit zwei Staatsgewalten kontrollieren, mit der Justiz nach der dritten langen, weil sie ihnen lästig ist.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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