Herumgemosert: Journalisten einsperren?

Die ÖVP schlägt derzeit vor, die mediale Berichterstattung aus Ermittlungsakten zu verbieten. Um das Verhältnis zwischen Staatsanwälten und Medien stand es schon in der Monarchie nicht zum Besten. Immer wieder wurden Zeitungen beschlagnahmt und Redakteure verurteilt. Es kam auch vor, dass sich die Blätter gegenseitig denunzierten. So machte das konservative „Vorarlberger Volksblatt“ 1870 die k. k. Staatsanwaltschaft Feldkirch auf eine Versammlung der Liberalen aufmerksam. Dort hatte ein Redner dem damals tagenden I. Vatikanischen Konzil gewünscht, es möge „das für den Menschen kostbarste Kleinod, den Verstand wieder erlangen“. Das von katholischen Priestern herausgegebene „Volksblatt“, das selbst schon Gegenstand von Ermittlungen geworden war, fragte nun wehleidig, ob das Strafgesetz „nur für die Geistlichen da sei“ oder auch für andere gelte.
Tatsächlich ermittelte die Staatsanwaltschaft Feldkirch auch gegen liberale Redakteure und Zeitungen. Meist ging es auch hier um die Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche. So hatte die „Feldkircher Zeitung“ 1877 in einem Artikel über die „Geschichte der Ohrenbeichte“ behauptet, es brächte den Priestern Vorteile, „wenn sie sich zu Mitwissern der Sünden ihrer Mitmenschen machen“. Der zuständige Redakteur wurde zu fünf Tagen Arrest verurteilt. Die Beschäftigung der Anklagebehörden mit den Medien war so intensiv, dass größere Zeitungen sogenannte „Sitzredakteure“ beschäftigten, deren vornehmste Aufgabe es war, als vorgeblich Verantwortliche die wegen anstößiger Artikel verhängten Freiheitsstrafen abzusitzen.
Die Gerichte hatten aber schon damals die Maßnahmen der Staatsanwaltschaften zu prüfen und zu bewilligen. Die Anklagebehörde wollte etwa das „Volksblatt“ vom 12. Oktober 1888 beschlagnahmen lassen. Darin war der liberalen „Feldkircher Zeitung“ unter anderem eine „faustdicke Lüge“ über Landesgelder für die Lehrerbildungsanstalt in Tisis vorgeworfen worden. Die Kritik, dass staatliche Mittel für eine damals kirchliche Einrichtung ausgegeben würden, wies man zurück. Immerhin huldige die Mehrheit der Vorarlberger „der conservativen Lebensanschauung, sie ist katholisch, und deshalb ist die Ausgabe im vorliegenden Fall ganz berechtigt“. Außerdem wären dort, wo „der Liberalismus das Regiment führt oder geführt hat, die Schulden schier ins unermeßliche gewachsen“. Das Landesgericht Feldkirch sah, anders als die Staatsanwaltschaft, die „öffentliche Ruhe“ durch die Zeitungsausgabe nicht gefährdet und verweigerte deren Beschlagnahme. Dass heute wieder darüber diskutiert wird, Journalisten für Artikel zu bestrafen, ist also nichts Neues, sondern eine geistige Ausgeburt des 19. Jahrhunderts.
Moritz Moser ist Journalist in und aus Feldkirch. Twitter: @moser_at