Das Virus kennt keine Grenzen

IHS-Experte Czypionka fordert internationale Zusammenarbeit im Bodenseeraum.
WIEN Die Ausgangslage zur Bekämpfung einer dritten Infektionswelle ist relativ günstig im Bodenseeraum: Wie die Daten der Gesundheitsbehörden aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein zeigen, ist die Zahl der bestätigten Fälle pro 100.000 Einwohner und Woche zwei- bis drei Mal niedriger als etwa in Wien, dem Burgenland und Niederösterreich. Unter diesen Umständen lässt sich eher Schlimmeres vermeiden, wie Thomas Czypionka, Gesundheitsexperte am Institut für Höhere Studien (IHS), bestätigt: Es komme ja nicht nur darauf an, viel zu testen. Entscheidend sei auch die Nachverfolgung von Kontakten, die Infizierte in den vorangegangenen Tagen hatten. Bei relativ wenigen Fällen sei das möglich. Bei vielen bricht das sogenannte „Contact Tracing“-System zusammen. Genau das markierte im vergangenen Herbst die Explosion der Zahlen in Österreich, aber auch anderen Staaten.
Gegenwärtig kommt es ganz besonders darauf an, dass die Kontaktnachverfolgung funktioniert: Mit den Mutationen, die erstmals in Großbritannien und Südafrika festgestellt worden sind, breiten sich Viren aus, die noch ansteckender sind als die bisherigen.

Doch zurück zum Bodenseeraum: In einem Vorschlag zur Bekämpfung der Pandemie, den Czypionka mit namhaften Kolleginnen und Kollegen in der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlicht hat, wird einer lokalen Vorgangsweise das Wort geredet. Am konkreten Beispiel wäre ein solcher vernünftigerweise aber nicht nur auf Vorarlberg beschränkt, zumal das Virus keine politischen Grenzen kennt: „Vernünftiger wäre es, in grenzüberschreitenden Mobilitätsräumen gemeinsam vorzugehen“, so Czypionka. Die derzeitige Praxis mache keinen Sinn; dass bei großen Unterschieden in Bezug auf das Infektionsgeschehen nämlich dieselben Beschränkungen für Vorarlberg und zum Beispiel das Burgenland gelten bzw. einem sehr ähnlichen Infektionsgesehen unterschiedliche Beschränkungen für Vorarlberg, Bayern und die Ostschweiz.
Die eidgenössische Strategie ist laut Czypionka bemerkenswert: „Die Schweiz ist bisher generell immer lockerer bei den Maßnahmen, reagiert im Fall des Falles aber entschiedener.“ In Österreich ist es zum Teil umgekehrt: „In Tirol hat man zu langsam und zu schwach reagiert.“ Internationale Erfahrungen würden jedoch zeigen, dass die Länder am erfolgreichsten seien, die nicht zuwarten, sondern handeln: „Bei den Mutationen gilt das umso mehr.“
Weitere Öffnungsschritte für ganz Österreich sieht der Gesundheitsexperte kritisch: „Man muss aufpassen.“ Ausgehend von einem sehr hohen Niveau würden die Zahlen wieder steigen. Zwar gehöre man zu den Ländern auf der Welt, die am meisten testen: „Sorgen mache ich mir aber wegen der „Contact Tracing“-Kapazitäten.“ Andererseits könnten Impfungen genauso helfen, die Kontrolle über das Infektionsgeschehen zu bewahren wie die wärmeren Jahreszeiten; dann verlagert sich der Alltag mehr und mehr an die frische Luft, wo das Ansteckungsrisiko geringer ist.
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