Höhere Hürden für Politikerinnen
Expertin über die Schwierigkeiten, mit denen Frauen noch immer zu kämpfen haben.
bregenz Frauen sind in der österreichischen Politik weniger sichtbar als Männer. Vor allem in der Gemeindepolitik gibt es Luft nach oben. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen: So gibt es in Vorarlbergs 96 Kommunen, mit Andrea Kaufmann (Dornbirn), Angelika Schwarzmann (Alberschwende), Katharina Wöß-Krall (Rankweil), Alexandra Martin (Raggal), Bianca Moosbrugger-Petter (Reuthe) und Carmen Steurer (Lingenau) gerade einmal sechs Bürgermeisterinnen. Das sind 6,3 Prozent.
Österreichweit schaut es nach dem SORA Gleichstellungsindex 2021 für den Städtebund mit neun Prozent Gemeindechefinnen oder Bezirksvorsteherinnen auch nicht viel besser aus. In Gemeinde- und Bezirksvertretungen liegt der Frauenanteil im Durchschnitt bei knapp einem Viertel. Die Hürden für Politikerinnen sind demnach höher als für Politiker. Das hat viele Gründe, strukturelle, persönliche und gesellschaftliche, wie Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle weiß. Gerade in der Kommunalpolitik würden diese sichtbar.
Mehr Förderung
„Zunächst braucht es in der Politik viel Einsatz in langen Sitzungen, oft am Abend und an den Wochenenden, was schwer vereinbar mit der Familie ist. Das trifft Frauen immer noch mehr“, erläutert die Expertin. Frauen werde auch weniger zugetraut, sich in die erste Reihe zu stellen und Führung zu übernehmen. Dazu komme, dass Politiker und Politikerinnen für gleiches Verhalten in der Öffentlichkeit unterschiedlich
beurteilt würden. „Frauen bekommen mehr
Hasszuschrif-
ten, werden mehr auf das Äußere reduziert.“ Viele ließen sich dadurch zurückdrängen. Die Politikwissenschaftlerin sieht die Parteien in der Pflicht, gegenzusteuern. Zu wenig werde der Fokus auf langjährige, gezielte Frauenförderung gelegt, vielmehr würden unmittelbar vor wichtigen Wahlen schnell Kandidatinnen aus dem Hut gezaubert.
Nur Männer-Auftritte
Auch auf den nächsten politischen Ebenen zeigt sich kein ausgeglichenes Bild. Laut dem aktuellen Bericht „Frauen in politischen Entscheidungspositionen in Österreich“ des Bundeskanzleramts lag der Frauenanteil im Vorarlberger Landtag im November 2019 bei 41 Prozent, jener im Nationalrat nur bei 39 Prozent. Mit Landesstatthalterin und Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink, Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (beide ÖVP) und Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) gehören der siebenköpfigen Vorarlberger Landesregierung fast gleich viel Frauen an.
Nicht mehr ganz 50:50
Was die Bundesregierung angeht, gilt seit Christine Aschbachers (ÖVP) Rücktritt als Ministerin nicht mehr ganz das Prinzip 50:50. Das Verhältnis innerhalb der Regierung – inklusive Staatssekretäre – ist mit acht Frauen und neun Männern aber fast ausgeglichen.
Ob das automatisch zu mehr Gleichstellung in der Politik führt, ist fraglich, erläutert Stainer-Hämmerle. Zwar sei es gut, dass sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) um mehr Frauen in seinem Kabinett bemüht habe. „Doch es stellt sich die Frage: Welches sind die mächtigen Ressorts? Blickt man sich die Corona-Pressekonferenzen an, dann treten dort oft nur Männer auf.“ Auf Bundesebene kam es 2019 zur Zäsur: Nach dem Zusammenbruch von Türkis-Blau übernahm mit Brigitte Bierlein zum ersten Mal eine Frau die Regierungsagenden. Sie leitete das Kabinett bis zur Angelobung von Türkis-Grün im Jänner 2020. Die Frage nach dem frauenpolitischen Fortschritt lasse sich noch nicht abschließend beantworten, sagt Stainer-Hämmerle. Bierlein war Übergangskanzlerin, sie musste sich keiner Wahl stellen. Was Frauen in hohen Ämtern angeht, verweist die Expertin aber auf ein häufiges Muster. „In Deutschland kam Angela Merkel in der CDU nach der Spendenaffäre an die Macht. Dort blieb sie dann. Der SPÖ kam die Kanzlerschaft abhanden. Pamela Rendi-Wagner übernahm später nach Christian Kern die Parteispitze, als sich nicht gerade viele andere vorgedrängt haben. Sie ist immer noch Chefin. Das sind klassische Situationen: Oft werden Frauen überredet, so manche kommt dann doch auf den Geschmack und bleibt wider Erwarten.“
„Frauen bekommen mehr Hasszuschriften, sie werden mehr auf das Äußere reduziert.“
Frauen in der Politik
6 Bürgermeisterinnen hat Vorarlberg. Das sind 6,3 Prozent aller Gemeindechefs des Landes. Österreichweit liegt dieser Anteil bei neun Prozent.
41 Prozent machte der Frauenanteil Ende 2019 im Vorarlberger Landtag aus, 39 Prozent im Nationalrat.
8 Frauen gehören derzeit neben neun Männern der Bundesregierung an, Staatssekretäre miteinberechnet.