Syrien hat die Welt verändert

Globale Auswirkungen des verheerenden Bürgerkriegs.
damaskus Zehn Jahre syrischer Bürgerkrieg haben unzähligen Menschen Leid und Elend gebracht, Millionen Flüchtlinge und geradezu apokalyptische Verwüstungen hinterlassen. Die Bewältigung dieser Nöte wird Jahre dauern. Schon jetzt zeigen sich aber die weltpolitischen Folgen des Konfliktes in Syrien.
Fortbestand des Regimes
Zunächst einmal hat sich am Fortbestehen des Assad-Regimes herausgestellt, dass Diktaturen von „Bösewichten“ gar nicht mehr so leicht aus dem Sattel zu heben sind, wie das noch bei einem Slobodan Milosevic oder gar Saddam Hussein der Fall gewesen ist. Auch letzterer war weder durch Aufstände der irakischen Kurden oder Schiiten zu stürzen, sondern musste zweimal von internationalen Streitmächten besiegt werden. Stattdessen erhielt und erhält Baschar al-Assad starke militärisch-politische Unterstützung von Russland. Im Irak hatte Moskau noch nicht zu intervenieren gewagt. Dazu erhält der Machthaber in Damaskus moralische Rückenstärkung christlicher Kirchen, die in ihm – verglichen mit seinen Islamisten-Gegnern – das kleinere Übel sehen. Das war allerdings auch schon in Bagdad der Fall, wo sich der Vatikan und seine chaldäisch-katholische Kirche vor Ort allzu eng mit Saddam eingelassen hatten. Die langen Schatten davon konnte erst jetzt Papst Franziskus bei dieser Irak-Reise aufhellen.
Starkes Beharrungsvermögen beweisen auch die weitgehend besiegten radikalen islamistischen Kräfte. Die Türkei hat ihnen um Idlib einen Schutzraum geschaffen. Niemand weiß aber, ob und wann sie aus diesem Rückzugsgebiet neu hervorbrechen werden. Die Mitbestimmung Ankaras im syrischen Norden ist ein weiteres global bedeutsames Ergebnis des Konfliktes. Westlich vom Euphrat hat die Türkei heute die Vorherrschaft. In seinem Osten, den der frühere US-Präsident Donald Trump ebenfalls seinem Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan ausgeliefert hatte, wurde der Vormarsch der regulären Truppen und syrisch-islamistischen Söldner Ankaras von Wladimir Putin gebremst. Allgemein findet sich die Welt aber mit den türkischen Grenzüberschreitungen und praktisch auch schon Grenzveränderungen in Syrien ab.
Kleine Gewinner des Syrienkriegs könnten die Kurden des Landes bleiben, wenn es ihnen gelingt, ihr „Selbstverwaltungsgebiet“ von nördlich Aleppo bis an den Tigris auch in eine wie immer ferne Nachkriegsordnung hinüberzuretten. Sie würden damit um Haaresbreite fast an das schon offiziell autonome irakische Kurdistan anschließen. In ihrer demokratischen Kooperation mit aramäischen Christen und sunnitischen Arabern erfüllt sich schon jetzt zumindest bei ihnen das ursprüngliche Reformanliegen der syrischen Volkserhebung vom März 2011. Für das benachbarte türkische Kurdistan, wo die Minderheitenpartei HDP nach Festnahme ihrer führenden Mandatare vor dem gänzlichen Verbot steht, wäre das ein mahnendes Vorbild.
