Ringen um Bewegungsfreiheit in Europa

EU-Kommission kann nur Vorschlag zum grünen Pass machen. Mitgliedsstaaten müssen ihm Leben einhauchen.
BRÜSSEL, WIEN Die Coronapandemie hat viele Selbstverständlichkeiten vorübergehend begraben. Die Bewegungsfreiheit in Europa ist eingeschränkt, eine kurze Fahrt ins Nachbarland meistens mit Test und Quarantäne verbunden. Wo was gilt, entscheiden die Nationalstaaten. Die EU ist bei den Reiseregeln längst zum Flickenteppich geworden. Für Geimpfte, Getestete und Genesene könnte der digitale „grüne Pass“ künftig mehr Bewegungsfreiheit bringen. Die EU-Staaten haben die EU-Kommission mit der technischen Ausarbeitung betraut. Am Mittwoch will sie ihren Vorschlag präsentieren.
Allerdings ist vieles unklar. Die Kommission will zunächst den Rechtsrahmen vorstellen. Der Leiter der ständigen Vertretung der Kommission in Österreich, Martin Selmayr, warnt daher vor überzogenen Erwartungen. „Die EU kann nicht den grünen digitalen Impfpass schaffen. Sie kann nur den Rahmen zur Verfügung stellen, den müssen aber die 27 Mitgliedsstaaten ausfüllen, und die Wirtschaft und die Gesellschaft entsprechende Maßnahmen ergreifen, um das in der Praxis möglich zu machen“, sagte Selmayr im Rahmen der digitalen Diskussionsreihe Europa Club Live. Hier spießt es sich bereits: Denn die Länder sind sich uneinig, was die Inhaber eines Impfzertifikats überhaupt alles dürfen sollen.
Geimpft, Genesen, Getestet
Grundsätzliches Ziel ist, dass die Europäer ihre Corona-Impfung, Genesung oder ein negatives Testergebnis fälschungssicher vorweisen können. Da wäre ein einheitlich lesbares Dokument mit QR-Code denkbar – in Papierform oder auf dem Smartphone, ähnlich wie bei einem Bahnticket. Die nationalen Systeme der 27 Mitgliedsstaaten müssten vergleichbar ausgestaltet oder verknüpft werden. Der technische Aufwand ist groß. Selmayr bemüht den Vergleich mit der grenzüberschreitenden Corona-Warn-App: Zwischen Österreich und Deutschland funktioniere das wunderbar, zwischen Deutschland und Frankreich aber nicht, da beide Regierungen auf unterschiedliche Standards gesetzt hätten. Dem Zeitplan zufolge sollen die technischen Vorbereitungen drei Monate lang dauern, also in etwa bis Ende Mai.
Urlaubsländer wie Österreich und Griechenland können dem Konzept eines grünen Passes nach israelischem Vorfeld viel abgewinnen. Es handle sich um eine Chance, europaweit Reisefreiheit zurückzuerlangen, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Auch der Zugang zu Restaurants oder Theatern könnte beispielsweise wieder möglich sein. Andere Staaten wie Deutschland, Frankreich und Belgien standen zuletzt noch auf der Bremse. Sie argumentierten damit, dass noch nicht klar sei, ob Geimpfte das Coronavirus weitergeben können. Zudem sei in der EU erst eine Minderheit geimpft.
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