Keine Amnestie für umstrittene Lockdown-Strafen

Bürgernahe Lösung bleibt vorerst aus: Ministerium sieht keinen Spielraum.
Wien Einmal auf dem Feldweg, einmal auf dem Fußgängerweg wurde ein junger Vorarlberger im März und im April 2020 von der Polizei erwischt und bestraft. Nennen wir ihn David. Er habe gegen das Betretungsverbot für den öffentlichen Raum verstoßen und den Mindestabstand nicht eingehalten, steht in den Strafverfügungen. Die Strafhöhe lag einmal bei 300, einmal bei 500 Euro. David hat keine Beschwerde eingelegt und begonnen, die Strafen abzustottern. Im Juli hob der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung, die das Betreten öffentlicher Orte verboten hatte als rechtswidrig auf. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) versprach daraufhin, für all jene, die zu Unrecht bestraft worden sind, eine bürgernahe Lösung.
In Vorarlberg wurden die Verfahren auf Grund der Ankündigung ruhend gestellt. Man warte auf eine bundeseinheitliche Regelung, erklärte die Bezirkshauptmannschaft diese Woche auf Davids Anfrage. Er hatte eine Mahnung inklusive Mahnspesen erhalten. Rund 400 Euro sind offen.
Allerdings scheint längst festzustehen, dass er zahlen muss. „Eine Generalamnestie ist nicht vorgesehen“, bekräftigte das Gesundheitsministerium auf VN-Anfrage und verwies auf eine parlamentarische Stellungnahme von November: „Eine Generalamnestie, mit der alle rechtskräftig verhängten Strafen etwa per Gesetz oder Verordnung aufgehoben würden, ist verfassungsrechtlich nicht möglich.“ Es müsste eine eigene Rechtsgrundlage geschaffen werden, die unabsehbare Folgewirkungen hätte. Das scheine nicht geboten.
Für die Landesregierung ist die Sache damit geklärt: „Strafen aufgrund rechtskräftiger Bescheide müssen bezahlt werden“, teilte sie am Freitag mit. Erst Anfang März hatte sich Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) für eine bundesweit einheitliche Amnestie ausgesprochen – zumindest für jene, die ihre rechtskräftigen Strafen aus dem ersten Lockdown noch nicht bezahlt haben.
Eine Generalamnestie würde bedeuten, dass jede Strafe, die es auf Grundlage einer gewissen Verordnung gab, aufgehoben wird. Das wäre möglich, meint Verfassungsjurist Peter Bußjäger. Die Regelung müsste aber für alle Betroffenen gelten, unabhängig davon, ob eine Strafe bereits bezahlt wurde oder nicht. Die Ablehnung des Gesundheitsministeriums hält er für wenig überzeugend: „Natürlich braucht es eine sachliche Rechtfertigung, warum man eine Gruppe amnestiert und die andere nicht.“ Man könnte es damit versuchen, dass tausende Menschen auf Grund einer Verordnung gestraft worden sind, die sich als nicht rechtskonform erwiesen hat. „So abwegig scheint mir das in einer Situation wie der Coronapandemie nicht.“