“Bitte Vollgas geben”

Grüne halten ÖVP-Chats zu Kirchenprivilegien für verstörend.
wien Genießen die Religionsgemeinschaften, insbesondere die katholische Kirche, in Österreich zu viele Privilegien? 2013 war diese Frage schon einmal Thema, damals gab es dazu ein Volksbegehren. Mit weniger als ein Prozent scheiterte es deutlich. Jahre später hat ausgerechnet die ÖVP-Spitze ähnliche Überlegungen gewälzt – Diese sind in den Chats des heutigen ÖBAG-Vorstands Thomas Schmid mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dokumentiert.
Im Mittelpunkt steht ein Treffen Schmids – damals Generalsekretär im Finanzministerium – mit seinem Gegenüber bei der Bischofskonferenz Thomas Schipka im März 2019. Das Thema: Eine mögliche Abschaffung von kirchlichen Steuerbegünstigungen. „Ja super. Bitte Vollgas geben“, schrieb Kurz an seinen Vertrauten. Noch am selben Tag berichtete Schmid dem Kanzler: „Also Schipka war fertig!“ Kurz bedankte sich mit der Nachricht: „Super danke vielmals!!!!“ Schipka bestätigte dem Nachrichtenmagazin „profil“ das Treffen. Ihm sei mitgeteilt worden, dass man im Zuge der Steuerreform verschiedene Verbindungen zwischen Staat und Kirchen prüfe.
„Kirche ist nicht käuflich“
Der Vorarlberger Nationalratsabgeordnete Norbert Sieber (ÖVP) ortet bei den steuerlichen Regeln für die Kirchen keinen Änderungsbedarf, kritisiert aber die Unterhaltung zwischen Kurz und Schmid: „Die Tonalität dieser Chats hat mir nicht gefallen.“ Grundsätzlich könne man über alles diskutieren. In den Steuerbegünstigungen sieht Sieber keine Privilegien, sondern Unterstützungsleistungen für die anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften. Im Gegenzug böten diese bedeutende Beiträge in den Bereichen Bildung, Soziales und Denkmalpflege. Es bestehe ein konkreter Gegenwert. Ähnlich argumentiert Roland Frühstück, ÖVP-Klubobmann im Vorarlberger Landtag. „Die anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften leisten wertvolle Dienste für die Allgemeinheit.“ Die Unterstützung müsse daher aufrechtbleiben.
Die Grünen hätten keine Scheu, gewisse Steuerprivilegien zu hinterfragen, „egal wen es betrifft“, meint Nationalratsabgeordnete Nina Tomaselli. Derzeit gebe es in der Koalition aber keinerlei Diskussion dazu. Die Chats zwischen Kurz und Schmid bezeichnet Tomaselli als verstörend, weil sie sich über ihre Gesprächspartner lustig machten und versuchten „Steuerprivilegien zu nutzen, um Kritiker in Schach zu halten“.
Die Kirche sei nicht käuflich, bekräftigt der Sprecher der Bischofskonferenz, Paul Wuthe. Er ortet in dem damaligen Treffen einen Versuch „uns politisch die Grenzen aufzuzeigen“. Man halte aber an den eigenen Standpunkten fest. VN-RAM, EBI
Türkis gegen Kirche. Chatverlauf von Kurz und Schmid
13. März 2019 Thomas Schmid informiert Kanzler Sebastian Kurz am 13. März 2019 über ein Treffen mit dem Generalsekretär der Bischofskonferenz, Thomas Schipka: „Heute ist die Kirche bei uns Schipka kommt um 16.00. Wir werden ihnen ordentliches Package mitgeben. Im Rahmen eines Steuerprivilegien Checks aller Gruppen in der Republik wird für das BMF (Anm. Finanzministerium) auch die Kirche massiv hinterfragt. Alle sind gleich. Dann gehen wir unsere Liste durch. LG Thomas“. Kurz antwortet darauf: „Ja super. Bitte Vollgas geben.“ Schmid freut sich: „Yea! Das taugt mir voll.“ Zwei Emojis schickt er dazu: Daumen hoch, angespannter Bizeps.
Rückblick 1. März 2019 Kardinal Christoph Schönborn kritisiert die Idee zur Präventivhaft für Asylwerber: „Wenn wir uns einmal daran gewöhnen, dass Menschen im Vorhinein ‚vorsorglich‘ eingesperrt werden können, wohin führt das?“, fragte er sich. Schönborn merkt an, dass Menschen in allen Diktaturen der Welt vorsorglich aus bloßem Misstrauen in Haft genommen würden. Namens der Bischofskonferenz bekräftigte Schipka via Aussendung die Bedenken des Kardinals: Die Sicherungshaft wäre ein Anschlag auf eines der ältesten und grundlegendsten Menschenrechte und ein grundrechtlicher Dammbruch. Man müsse nicht 80 Jahre zurückgehen, sondern nur an noch immer bestehende diktatorische oder totalitäre Regime denken, um zu erahnen, welche Gefahren aus dem Projekt „Sicherungshaft“ entstehen könnten.
Zurück zum 13. März Nach dem Treffen mit Schipka kontaktiert Schmid den Kanzler erneut: „Also Schipka war fertig! Steuerprivilegien müssen gestrichen werden, Förderungen gekürzt. Und bei Kultus und Denkmalpflege werden wir wesentliche Beiträge Heimopfergesetz deckeln. Er war zunächst rot dann blass dann zittrig. Er bot mir Schnaps an, den ich in der Fastenzeit ablehnte, weil Fastenzeit. Waren aber freundlich und sachlich“. Der Kanzler ist sichtlich angetan: „Super danke vielmals!!!! Du Aufsichtsratssammler :)“ Schmid antwortet mit zwei Bussi-Emojis. Schmid erklärt Kurz ebenso, dass er keinen Vorstandsposten – er ist heute ÖBAG-Chef – ohne Mandate wolle. „Kriegst eh alles, was du willst“, antwortet Kurz. Schmid darauf: „Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler. Ich muss übrigens D. gerade aufpäppeln, weil ihm Schipka so leid getan hat :-)).
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