Türkiser Postenschacher: „Das war schamlos“

Grünen-Vizechefin Tomaselli fordert den Rücktritt von ÖBAG-Chef Schmid, hofft auf strengere Regeln für Vorstände und weniger Erinnerungslücken im U-Ausschuss.
Wien Thomas Schmid muss gehen, sagt Nina Tomaselli. Der Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG, die 26 Milliarden Euro der Republik verwaltet, habe sich seine aktuelle Stelle schamlos selbst zugeschanzt, er klärt die Vizechefin der Grünen und Fraktionsführerin im Ibiza-U-Ausschuss. Sie will über die Frage diskutieren, wie Vorstände leichter abgelöst werden können. Vorwürfe der ÖVP zu grünen Postenbesetzungen bezeichnet Tomaselli als Retourkutsche. „Für die ÖVP ist alles, was um Thomas Schmid passiert ist, normal und in Ordnung. Für die Grünen nicht.“
Die Chats von ÖBAG-Chef Thomas Schmid sind ein Sittenbild. Sie offenbaren eine „besondere Art“ der Postenbesetzung. Oder doch eine gängige Vorgehensweise?
Türkis-Blau wollte still, heimlich und leise die Republik umbauen und ein System installieren, das vor allem ihren wohlhabenden Freunden und Spendern dient, aber nicht den Bedürfnissen der Bevölkerung. Das sehen wir auch bei den Personalbesetzungen. Dafür mussten einige aus dem Weg geräumt werden, bei anderen war es der Plan. Das zeigen die Akten ganz klar. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) ist ein gutes Beispiel.
Inwiefern?
Die FMA hat seit jeher zwei Vorstände. Mit der Bankenaufsichtsreform war ein Alleinvorstand geplant. Dokumente legen nahe, dass Helmut Ettl, der der SPÖ zugeordnet wird, gehen hätte müssen. Dann kam Ibiza dazwischen.
Thomas Schmid ist Alleinvorstand bei der ÖBAG. Sollte es dort zwei Vorstände geben?
Ja. Das Vieraugenprinzip ist eine gute Vorsichtsmaßnahme, vor allem wenn man mit Steuergeldern umgeht. Die ÖBAG verwaltet über 26 Milliarden Euro der Republik. Wir hatten von Anfang kein Verständnis dafür, das ihr nur eine Person vorsteht und dann auch noch diese.
Die Grünen fordern von Thomas Schmid, zurückzutreten. Was, wenn er es nicht tut?
Wenn er ein Fünkchen Verantwortung in sich trägt, sollte er den Hut nehmen und gehen. So kann er noch Schaden abwenden.
Welchen Schaden?
Die ÖBAG, die das Familiensilber der Republik verwaltetet, muss eine Führungskraft haben, die das volle Vertrauen genießt. Bei Thomas Schmid ist das dezidiert nicht der Fall.
Zweifeln Sie an seiner Qualifikation?
Thomas Schmid hat sich das Bewerbungsverfahren selbst zusammengebastelt und die Struktur der ÖBAG selbst zurechtgelegt, als er Generalsekretär im Finanzministerium war. Alleine das beweist, dass er sich um den Job nicht verdient gemacht hat.
Welche Rolle spielt der Aufsichtsrat der ÖBAG?
Das ist ja das nächste. Thomas Schmid hat auch bei der Zusammenstellung des Aufsichtsrats mitgewirkt. Dass es hier bestimmte Loyalitäten gibt, überrascht also nicht. Ich kann nur an den Aufsichtsrat appellieren, Verantwortung zu übernehmen und Konsequenzen zu ziehen, sonst ist er nicht Teil der Lösung, sondern des Problems.
Sollte Thomas Schmid tatsächlich gehen, wie sieht dann die Nachbesetzung aus?
Es braucht einen objektiven Ausschreibungsprozess, wo Kompetenz mehr gilt als Parteizugehörigkeit oder Loyalität.
Inwiefern lässt sich in der Realität eine Bestellung ohne politische Scheuklappen machen?
Für die ÖVP ist alles, was um Thomas Schmid passiert ist, normal und in Ordnung. Für die Grünen nicht. Zur Ablenkung wird versucht alle Personalentscheidungen in einen Topf zu werfen. Der Unterschied zwischen Postenschacher und öffentlicher Postenbesetzung liegt aber in der Kompetenz. Es müssen objektive Kriterien ausschlaggebend sein. Leonore Gewessler zeigt im KIimaministerium bravourös wie es geht.
Aber eine blaue Ministerin wird zum Beispiel immer anders besetzen als eine grüne. Das ist doch Fakt.
Ja, weil es auch eine Vertrauensbasis braucht. Aber das schamlose Vorgehen von Thomas Schmid war beispiellos. Das darf sich nicht wiederholen.
Welche Notwendigkeiten gibt es denn nun bei der Besetzung öffentlicher Posten?
Die Regeln sind im Moment so gestaltet, dass sie so gut sind, wie die ausführende Person. Eine Postenbesetzungen auf eine gute Art und Weise kann es nur geben, wenn man Gutes im Sinn hat, das heißt, dass Kompetenz mehr zählt als das Parteibuch.
Es braucht keine zusätzliche Objektivierung des Verfahrens?
Wie für Aufsichtsräte braucht es auch strengere Regeln für Vorstände. Die Frage, wie man Vorstände leichter ablösen kann, müssen wir sicher legistisch diskutieren.
Die ÖVP von Türkis-Blau, ist auch unter Türkis-Grün noch immer die gleiche ÖVP. Wie können Sie bei all Ihrer Kritik an der ÖVP noch argumentieren, dass sie mit ihr koalieren?
Unser Anspruch ist, zwei Versprechen umzusetzen: Saubere Umwelt, saubere Politik. Wir liefern bei beiden Themen, zum Beispiel mit dem Informationsfreiheitsgesetz oder dem Anti-Glückspielpaket. Wir konzentrieren uns also auf diese Aufgabe. Dass die ÖVP die ÖVP ist, muss ich gewissermaßen zur Kenntnis nehmen.
Wenn ähnliche Geschichte aus der nun türkis-grünen Zeit auftauchen, wäre dann eine rote Linie überschritten, ein Grund für den Koalitionsbruch?
Rote Linie über die Zeitung auszurichten, wäre jetzt alles andere als professionell.
Der ÖVP-Mandatar Andreas Hanger wirft den Grünen eine Doppelmoral vor, die an Dreistigkeit kaum zu überbieten sei. Es geht um den Abteilungsleiterposten im Sportministerium, den der frühere Grünenmandatar Dieter Brosz erhalten hat. Haben Sie an dieser Besetzung was auszusetzen?
Das ist die Retourkutsche für meine öffentliche Kritik an Thomas Schmid. Zur Sache: Ich bin nicht im Sportministerium, sondern im Parlament. Aber meines Wissens gab es für die Stelle einen komplett normalen Bewerbungsprozess mit Ausschreibungsverfahren, Begutachtungskommission, etc. Dass der eine oder andere meinen könnte, dass das eine schiefe Optik hat, soll den Menschen unbenommen bleiben.
Was hat Sie bei Ihrer Arbeit im Ibiza-U-Ausschuss besonders überrascht?
Was mich tagtäglich überrascht ist die Fülle an Belegen, die zeigen wie Türkis-Blau das politische System umbauen wollten. Es werden auch nach einem Jahr immer mehr.
Müssen Sebastian Kurz und Gernot Blümel nochmals in den U-Ausschuss?
Ja. Der Kanzler wird nochmals kommen müssen. Gernot Blümel ist kommende Woche dran. Dann sehen wir, ob er wie angekündigt alles dafür tun wird, die Vorwürfe aufzuklären.
Was erwarten Sie sich konkret von Kanzler und Finanzminister?
Ich erwarte mir, dass sie vollständige Antworten geben und dem U-Ausschuss als parlamentarisches Kontrollgremium auch respektvoll gegenübertreten. Das habe ich vor allem bei Gernot Blümel nicht so wahrgenommen – mit seinen 90 Erinnerungslücken. Er wusste ja nicht einmal, ob er einen Laptop hatte.