Krisengipfel wegen steigender Infektionszahlen

Im Bezirk Dornbirn hat sich die Fallzahl binnen zwei Wochen vervierfacht. Bürgermeister sehen vor allem privaten Bereich verantwortlich.
Schwarzach “Das Teuflische an der Pandemie ist, dass wir uns nichts davon genau erklären können.” Der Lustenauer Bürgermeister Kurt Fischer blickt besorgt auf die aktuellen Coronazahlen. Im Bezirk Dornbirn sind sie deutlich höher als überall sonst im Land. Mit 179 neu registrierten Fällen pro 100.000 Einwohnern und Woche ist die Fallzahl in etwa vier Mal so hoch wie vor zwei Wochen. Große, greifbare Cluster gibt es im Bezirk kaum, wie auch die Dornbirner Bürgermeisterin Andrea Kaufmann und ihr Hohenemser Amtskollege Dieter Egger berichten. Die meisten Infektionen fänden im privaten Raum statt. Dass die steigenden Fallzahlen mit den Vorarlberger Lockerungen zu tun haben, glauben sie nicht.
Ursachensuche
Die Bundesregierung berät heute, Dienstag, mit Experten, Opposition und Landeshauptleuten über die Coronamaßnahmen. Am Nachmittag kommt es auf Landesebene zu einem weiteren Gespräch, zu dem besonders betroffene Städte und Gemeinden geladen sind. Strengere Maßnahmen seien vorerst keine geplant, beruhigt man vonseiten des Landes. Vielmehr gehe es darum, die möglichen Ursachen der anhaltend hohen Zahlen zu analysieren. Cluster in Leiblachtaler Ausmaß gibt es nicht. Abseits einiger Familienverbände und einem Wohnheim in Dornbirn sind die Infektionen über den Bezirk verstreut. Die Quelle kann in etwa bei der Hälfte aller Fälle aufgeklärt werden.
Vorarlberg steht mit der Entwicklung nicht alleine da. Auch rund um die Landesgrenzen sind die Zahlen wieder höher als vor einigen Wochen. Hinzu kommt der zunehmend hohe Anteil der neuen Virusvarianten. Die “britische” B117 ist mittlerweile bei rund 80 Prozent der Infizierten nachweisbar.

Die Lockerungen in Gastro, Kultur und Sport scheinen sich kaum auszuwirken. Laut Landessanitätsdirektion hätten sich bei der Rückverfolgung der Infektionsketten die Quellenangaben kaum geändert. Auch die Bürgermeister von Dornbirn, Hohenems und Lustenau sehen hier keine Gefahr: “Da arbeiten alle sehr gut abgesichert”, erklärt Andrea Kaufmann. “Meine Analyse ist, dass 80 bis 90 Prozent der Neuinfektionen im privaten Bereich auftauchen.” Zu ähnlichen Schlüssen kommt Dieter Egger. Er appelliert an die Eigenverantwortung der Bevölkerung: Abstand halten, testen und Menschenansammlungen vermeiden, das seien vernünftige und zumutbare Regeln. Von einem weiteren Lockdown oder einer Rücknahme der Lockerungsschritte hält der Hohenems Bürgermeister nichts: “Wir müssen die Lage ernst nehmen. Ich sehe aber noch keinen Grund für übertriebene Maßnahmen.”
“Gegen die Eskalation vorgehen”
Auf den Intensivstationen ist die Lage derzeit ruhig. Es gebe allerdings keine Sicherheit, dass es so ruhig bleibe, sagt Kurt Fischer. Die Situation in Wien zeige, wie schnell es gehen kann. Die Bundeshauptstadt gerät mit den Kapazitäten immer mehr an ihre Grenzen. Die Patienten würden immer jünger. “Die Frage ist, ob die Zahl der Spitalspatienten auch in Vorarlberg zeitlich verschoben nach oben geht”, meint der Bürgermeister. Er fordert, jetzt alles dafür zu tun, eine Eskalation der dritten Welle zu verhindern. Ob es einen weiteren Lockdown braucht? Fischer schließt nichts mehr aus. Die kommenden Tage müssten genau beobachtet werden. Zum einen seien ab Mittwoch höhere Fallzahlen zu erwarten, da über die Feiertage weniger getestet wurde. Zum anderen zeigten sich die möglichen Auswirkungen des Osterwochenendes frühestens kommende Woche, sagt Fischer. “Man musste sich ja nur ein bisschen umschauen: Nicht alle haben auf größere private Treffen verzichtet.”
Birgit Entner-Gerhold, Matthias Rauch