Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Wenn Politik krank macht

Politik / 14.04.2021 • 06:00 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Corona hat ein weiteres Opfer gefordert. Gesundheitsminister Rudolf Anschober ist auf den – hoffentlich – letzten Metern des Anti-Corona-Marathons die Kraft und Energie ausgegangen. „Ich will mich auch nicht kaputtmachen“, meinte er in seiner emotionalen Abschiedsrede. Sie war eine Gratwanderung zwischen persönlicher Leistungsbilanz und dem Geständnis, dass auch Politiker die eigenen körperlichen Grenzen anerkennen müssen.

Anschober hat vollkommen recht, dass niemand sich für Krankheit schämen muss. Die Frage ist jedoch, ob sein Job als Politiker ihn erkranken ließ. Sicher ist die Pandemie eine Ausnahmesituation. Doch manche Begleitumstände hätten Anschober trotzdem erspart bleiben können. Wie die Fouls des Regierungspartners und der Opposition oder die zähen Verhandlungen mit den Bundesländern. Zuletzt verließ ihn wohl auch die Hoffnung.

Als besonders belastend nannte der scheidende Minister aber auch Begleitumstände wie den erforderlichen Polizeischutz und die steigende Aggressivität. Die zunehmende Spaltung in der Gesellschaft und seine soziale Isolierung ließen den auf Dialog und Konsens ausgerichteten Politiker scheitern. Hinzu kommt der Druck, 24 Stunden sieben Tage die Woche in der Öffentlichkeit zu stehen, Maßnahmen zu kommunizieren, Entscheidungen zu rechtfertigen und permanent einer Beurteilung für alles zu unterliegen. In den Medien, auf sozialen Plattformen, in Umfragen und oft in verkürzter und verletzender Form.

Eine Pandemie zu bekämpfen bedeutet viel Arbeit und noch mehr Verantwortung. Um fit zu bleiben braucht es Möglichkeiten der Regeneration, Phasen des Nachdenkens und Orte des Rückzugs. Dies sollten wir selbst Spitzenpolitikern gönnen, denn für gute Entscheidungen braucht es klare Köpfe. Es braucht eine professionelle Solidarität innerhalb einer Regierung und eines bundesstaatlichen Systems, getroffene Entscheidungen auch nach heftigen vorangegangenen Debatten miteinander zu tragen. Das Bewusstsein innerhalb der Koalition, gemeinsam für Erfolge und Misserfolge verantwortlich zu sein, schien in letzter Zeit doch nachzulassen. Nicht zuletzt braucht es realistische Erwartungen der Bevölkerung, was ein einzelner Politiker leisten kann.

Nachfolger Wolfgang Mückstein ist ebenfalls kein Wunderwuzzi, aber er kann vieles besser machen als Anschober. Er kann das Ministerium umorganisieren, das Verhältnis zu Koalitionspartner und Landeshauptleuten neugestalten, einen professionellen Umgang mit Medien finden und Vertrauen in der Bevölkerung stiften. Er muss schnell in alles hineinwachsen und erhält dafür hoffentlich gesundheitlich schonendere Arbeitsbedingungen.

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