Hintergrund: Rückzug und Neustart im Gesundheitsministerium

Das größte Problem: Man muss den Job auch machen wollen.
Wien Gesundheitsminister Rudolf Anschober fühlte sich oft alleingelassen, sagte er bei seiner Abschiedsrede. Indirekt thematisierte er die Konflikte innerhalb der Koalition, indem er von erheblichen Mühlen, spürbarem Populismus und Parteitaktik sprach. Anschober führte ein Mammutressort, das erst aufgrund der Coronakrise dazu wurde. Ursprünglich war die Pflegereform als sein Prestigeprojekt geplant. Dann kam die Pandemie.
Nicht von heute auf morgen
15 Monate nach seiner Angelobung nahm der Minister am Dienstag seinen Hut. Wenige Stunden später stellte Vizekanzler Werner Kogler Anschobers Nachfolger, Wolfgang Mückstein, vor. Der designierte Minister, Ärztekammerfunktionär und Allgemeinmediziner wurde gestern vom erweiterten Bundesvorstand der Grünen bestätigt. Am Montag folgt die Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Der Rücktritt Anschobers kam nicht von einem Tag auf den anderen. Bereits Anfang März erlitt er einen Kreislaufkollaps und musste im Spital behandelt werden. Dies geschah im Laufe der Verhandlungen zu den Vorarlberger Lockerungen, welche der Minister bekanntlich kritisch sah. Schon damals seien im Hintergrund Gespräche gelaufen, ob und in welcher Form Anschober zurückkehren werde. Er habe sich für ein paar Tage fast gänzlich zurückgezogen. Angriffe von der ÖVP gab es dennoch: Der Streit um die Impfstoffbestellungen ist bekannt.
Anschobers Rückkehr eine Woche später wurde nicht nur davon überschattet, sondern auch von einer zunehmend kritischen Coronalage im Osten. Nur sehr schwer konnte er in Niederösterreich und Burgenland eine Osterruhe durchsetzen, die Wiener waren deutlich unkomplizierter und verlängerten später im Alleingang den Lockdown bis 2. Mai.
Pandemie hat es nicht zugelassen
Es folgte der zweite Kollaps des Ministers. Als die VN am 6. April um ein Interview baten, hieß es, Anschober kehre in ein, zwei Tagen wieder zurück. Der nächste öffentliche Termin sollte allerdings seine Rücktrittspressekonferenz sein. Der Minister habe lange mit sich gerungen, wird erzählt. Der Rückzug sei alleine seine Entscheidung gewesen. Am Ende war klar: Die Pandemie lässt nicht zu, dass der Gesundheitsminister eine Auszeit nimmt.
Mit Einbeziehung Anschobers sprach der engste, grüne Kreis um Werner Kogler bereits über eine mögliche Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Zuerst vorsorglich. Das größte Problem: Man muss das auch machen wollen. Der Name Wolfgang Mückstein kam schon zur Sprache. Am Wochenende zeichnete sich ab, dass Anschober geht, am Montag sei die endgültige Entscheidung gefallen. Es folgte ein Anruf bei Mückstein, am Abend dessen Zusage. Daraufhin wurde der Bundespräsident informiert. Spätabends der Koalitionspartner.
Das vorab vereinbarte Stillschweigen hielt, auch zur ÖVP drang nur wenig durch, wenngleich vergangene Woche Rücktrittsgerüchte die Runde machten. Das taten sie aber auch schon im März. Regelmäßig informiert und ausgetauscht werde in so einer Phase innerhalb der Koalition nicht, heißt es. Erst wenn alles entschieden ist, werde der Kanzler informiert.
Der weitere Ablauf ist bekannt. Dienstag kurz vor acht kam die Einladung zur „persönlichen Erklärung“ Anschobers um 9.30 Uhr. Um 12 Uhr präsentierte Kogler den neuen Minister. Am Mittwoch trafen sie sich zu einem ersten Austausch bei Kurz. Dass Mückstein als Arzt zwar ein Experte ist, aber kaum über politische Erfahrung verfügt, hält der Kanzler für kein Problem. Anschobers Kritik wollte Kurz nicht auf sich bezogen wissen. Wer Verantwortung trage, habe natürlich damit zu kämpfen, als Letztverantwortlicher oft allein zu sein.
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