Migrationskrise in Spaniens Exklave

Ministerpräsident Sánchez gerät wegen Situation auf Ceuta zunehmend in Bedrängnis.
madrid Nach Ausbruch der Migranten-Krise in Ceuta mit der Ankunft von mehr als 8000 Migranten innerhalb von nur 36 Stunden fackelte Ministerpräsident Pedro Sánchez nicht lange. Er entsandte am Dienstag das Militär in die spanische Nordafrika-Exklave, flog selber hin und ordnete Massenabschiebungen an. Bis Mittwochnachmittag waren bereits 5600 Menschen wieder nach Marokko zurückgeschickt worden. Menschenrechtsgruppen wiesen die Express-Abschiebungen als illegal zurück. Die rechtspopulistische Partei Vox meinte, Sánchez habe eine “Invasion” und “einen Angriff auf Spanien” zugelassen. In Ceuta war Sánchez von etwa 50 Demonstranten heftigst beschimpft worden. Oppositionsführer Pablo Casado sagte am Mittwoch im Madrider Parlament, die Krise sei eine Folge “des Regierungschaos.” Sánchez warf der Opposition vor, die Krise zu missbrauchen, um die Regierung zu stürzen.
Sind die Massenrückführungen ohne vorherige Prüfung des Anrechts auf Asyl rechtmäßig? Das ist nicht ganz klar. Zwar gibt es seit 1992 ein bilaterales Abkommen mit Marokko, das solche Schnellabschiebungen von illegalen Einwanderern grundsätzlich ermöglicht. Diese müssen aber eigentlich direkt an der Grenze erfolgen, und nicht erst, wenn Migranten schon länger auf spanischem Boden sind. Hier gibt es Interpretationsspielraum. Zudem gibt es Gesetze, eine Entscheidung des Verfassungsgerichts in Madrid sowie ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das 2020 eine Klage zweier im Jahr 2014 schnell abgeschobener Migranten gegen Spanien zurückwies, auf die sich Madrid beruft. Von den Abschiebungen am Dienstag und Mittwoch waren aber auch Migranten betroffen, die minderjährig waren. Diese seien freiwillig zurückgekehrt, beteuert Madrid.
Beobachter in Spanien sind davon überzeugt, dass nicht nur die Suche der Migranten nach einer besseren Zukunft die Krise ausgelöst hat, sondern in erster Linie ein Streit über die Westsahara, die bis 1975 spanische Kolonie war. Marokko beansprucht große Teile des dünn besiedelten Gebiets an der Nordatlantikküste. Rabat ist erzürnt, weil der Chef der dortigen Unabhängigkeitsbewegung Polisario, Brahim Ghali, in einem spanischen Krankenhaus behandelt wird. Die Lockerung der Grenzkontrollen sei eine Art Vergeltungsaktion gewesen, heißt es. Rabat hielt sich derweil am Mittwoch weiter weitgehend bedeckt.