Der K(r)ampf um das Gendersternchen
Sollen homosexuelle Menschen heiraten können, so wie Heterosexuelle? Bei der Diskussion dieser Frage haben noch in den beginnenden 2000er-Jahren manche sofort die Contenance verloren, alles wurde gleich sehr emotional, eine vernünftige Debatte war oft kaum möglich, so auf die Art: Bitte, was wollen Schwule und Lesben noch alles?
Mittlerweile ist die Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich Alltag. Seit 2010 können sie eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, seit 2019 auch standesamtlich heiraten. Diesen Wandel hat der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis 2017 ermöglicht – der Gerichtshof begründete dies mit dem Diskriminierungsverbot des Gleichheitsgrundsatzes. Und auch wenn es Menschen gibt, denen das nicht passen mag, sieht man doch: Die Welt ist wegen der Ehe für alle nicht untergegangen. Und es nimmt keinem heterosexuellen Paar etwas von seinem großen Tag weg, wenn ein gleichgeschlechtliches Paar sich auch trauen lässt.
Derzeit erinnert eine andere gesellschaftspolitische Debatte an den Streit rund um die Ehe für alle. Der Kampf oder besser: der Krampf rund um gendergerechte Sprache. Damit nicht nur Männer, sondern auch Frauen und nicht binäre Menschen – Personen, die sich nicht ausschließlich in einer männlichen oder weiblichen Geschlechtsidentität definieren – sprachlich miteingebunden sind. Man verwendet also „Lehrer*in“ und alle Menschen im Lehrberuf sind angesprochen. Früher hat man nur „Lehrer“ verwendet, mit diesem generischen Maskulinum waren praktischerweise alle nicht männlichen Lehrkräfte einfach mitgemeint.
Sternchen der Angst
In Europa erleben wir jetzt eine emotionale Debatte um Gendersternchen, Doppelpunkte – zum Beispiel „Lehrer:in“ – und Co. Kürzlich hat Frankreichs Bildungsminister Jean-Michel Blanquer die Nutzung von gendergerechter Schriftsprache an Schulen und in seinem Ministerium verboten; in Deutschland sprach sich die Gesellschaft für deutsche Sprache gegen das Gendern in staatlichen Stellen aus; im Netz liefern sich Menschen Ringkämpfe wegen des harmlosen Sternchens; egal ob Binnen-I oder Gendersternchen, all das zerstöre die Sprache und ihre Lesbarkeit, behaupten auch einige älteren Medien-Kollegen.
Es ist wohl für manche schwierig, wenn Gewohnheiten infrage gestellt und Machtfragen neu verhandelt werden.
Es ist wohl für manche schwierig, wenn Gewohnheiten infrage gestellt und Machtfragen neu verhandelt werden: Wer kommt sprachlich vor, wer ist nur mitgemeint? Aber es dürfte auch um die Angst gehen, nicht mehr mit den gesellschaftlichen Entwicklungen mitzukommen, nicht mehr verstehen zu können. Dabei könnte man es auch so sehen: Veränderung bildet sich immer in unserer Sprache ab, das ist nichts Bedrohliches. Sondern ein Abbild einer Welt, die sich weiterentwickelt.
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