Abgründe
Der Untersuchungsausschuss, der nur am Rande mit der Ibiza-Affäre zu tun hat, aber nach ihr benannt ist, hat ins Schwarze getroffen. Abgeordneten, die dort sitzen, ist es zu verdanken, dass Chat-Protokolle öffentlich geworden sind, die zeigen, wie Österreich geführt wird. Anders, als es „Message Control“ vermittelt. Nicht verantwortungsvoll im Sinne des Staatsganzen und getragen von Respekt, ja Demut gegenüber dem Souverän, sondern schamlos, teils niederträchtig und Ich-bezogen.
Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) muss aufgrund seiner Korrespondenz mit dem Justizbeamten Christian Pilnacek als Verfassungsrichter gehen. Aus seinen Nachrichten an Pilnacek geht hervor, dass er sich in ideologischer Mission am Höchstgericht wähnte. Außerdem ließ er verächtliche, rassistische Äußerungen des Beamten über Höchstrichterinnen mit unterschiedlicher Hautfarbe unwidersprochen. Auf die eine (Verena Madner) wäre man demnach „stolz“ in Kuba, die andere (Claudia Kahr) wäre ebendort eine „gute Müllfrau“.
„Der Ibiza-U-Ausschuss hat ins Schwarze getroffen: Chat-Protokolle zeigen, wie Österreich geführt wird.“
Über derlei kann man sich nicht mehr wundern. Man ist es gewohnt: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat dem heutigen Chef der Verstaatlichten-Holding ÖBAG, Thomas Schmid, einst versichert, dass er „eh alles“ bekomme, was er wolle. Gegenleistung dafür waren Grobheiten. So forderte Kurz Schmid auf, einem Kirchenvertreter „Vollgas“ zu geben. An andere Personen schrieb Schmid einmal dazu, dass er für einen Strafregisterauszug zur Polizei muss, er müsse „zu diesen Tieren“. Zum Verlust eines Diplomatenpasses empörte er sich, nun reisen zu müssen wie der „Pöbel“, also (fast) alle.
Das sind Aussagen, die strafrechtlich eher belanglos sind. Im Übrigen sind sie jedoch unerträglich. Aus dem Beamtendienstrecht stammt der Hinweis, dass beim „gesamten“ Verhalten darauf zu achten ist, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in eine sachliche Wahrnehmung der Aufgaben erhalten bleibt. Das sollte nicht nur für Beamte gelten. Sprich: Es ist notwendig, sich immer um Glaubwürdigkeit zu bemühen. Auch nach Dienstschluss oder dann, wenn Mikrofone abgedreht sind.
Es sollte kein Problem sein, dem gerecht zu werden: Wer nicht nur sich selbst, sondern auch seine Mitmenschen wertschätzt, wird auch in Chat-Nachrichten spätabends stilvoll sein. Politisch sind strengere Maßstäbe anzusetzen: Weniger weil sich einzelne Akteure gerne so makellos geben, wenn sie in der Öffentlichkeit stehen, sondern mehr, weil sie – wie Beamte – grundsätzlich allen bzw. gleichen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern verpflichtet sind und das eben nur sein können, wenn sie es mit jeder Faser pflegen.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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