Das sagt der deutsche Botschafter zu Grenzschließungen in der Pandemie

Ralf Beste spricht über Grenzen, Inzidenzen und die größten Unterschiede zu Österreich.
Schwarzach Die Pandemie hat vieles verändert. Lange Zeit herrschte ein strenges Grenzregime. Er würde sich wünschen, dass sich eine Situation wie in der Vergangenheit künftig verhindern lässt, sagt der deutsche Botschafter Ralf Beste. Grenzschließungen bezeichnet er als Ultima Ratio.
Die Bodenseeregion ist eng miteinander vernetzt. Hat die Pandemie gezeigt, dass die europäischen Grenzen nicht so durchlässig sind wie man dachte?
Durchlässige, offene Grenzen sind eine der zentralen Errungenschaften der Europäischen Union. Wir alle waren allerdings nicht auf das Jahrhundertereignis einer Pandemie vorbereitet. Die EU hat in der Gesundheitspolitik nur wenig Kompetenzen, deswegen hat jeder Staat selbst darauf geschaut, wie er am besten die Interessen und die Gesundheit seiner Bürger schützen kann. Die Reaktion war dann sehr menschlich, man hat dort Maßnahmen ergriffen, wo es möglich war.
Vorarlberg war sehr lange Risikogebiet. Es gab viel Unmut darüber, dass sich Deutschland auf Inzidenzen konzentriert, statt auch auf die Anzahl der Tests.
Unsere Länder hatten teilweise unterschiedliche Herangehensweisen, aber ich glaube wir sind gut beraten, nicht zu bewerten, welche besser oder schlechter ist. Die Inzidenz ist ein wichtiger Indikator, aber auch das Testen und die Modellregion haben sich bewährt. Aber nur weil man testet, heißt das nicht, dass das Virus nicht da ist. Wir haben bei unseren Regelungen immer versucht, so transparent wie möglich zu sein.
Die Schweiz hat Vorarlberg eine Ausnahmeregelung gewährt.
Wir hatten eine ähnliche Situation an der Westgrenze. Da haben sich die Ministerpräsidenten der betroffenen Bundesländer stark dafür eingesetzt, dass sie möglichst offen bleibt. Wir mussten aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die bayerische Staatsregierung das mit Blick auf die Südgrenze anders sah und sich um den Infektionsschutz sorgte. Das muss die Regierung in Berlin natürlich ernst nehmen.
Gibt es Pläne, wie es bei steigenden Infektionszahlen an den Grenzen weitergehen könnte?
Zunächst sollten wir versuchen, einen neuen Anstieg zu vermeiden. Ich würde mir wünschen, dass wir wegen den wirtschaftlichen und menschlichen Konsequenzen eine Situation wie in der Vergangenheit verhindern können. Dazu müssen wir uns früher austauschen, etwa über Mutationen und geplante Maßnahmen, damit es nicht zur Ultima Ratio kommt, einer Grenzschließung.
Am Sonntag ist Weltflüchtlingstag. Deutschland hat aus Griechenland 2700 Menschen aufgenommen, Österreich null. Fehlt es an Solidarität?
Ich will das nicht bewerten. Die Zahlen sprechen für sich. Es ist eine fast unmögliche Aufgabe, mit dieser humanitären Katastrophe umzugehen. Ich würde mir wünschen, dass jedes europäische Land alles in seiner Macht stehende tut, um zumindest die größte Not zu lindern. Es ist relativ leicht zu sagen, die EU habe versagt. Ob der EU etwas gelingt, hängt aber immer von der Bereitschaft der Mitgliedsstaaten ab, zu handeln.
Wo sehen Sie den größten Unterschied zwischen Deutschland und Österreich in der politischen Debattenkultur?
Österreich und Deutschland wirken wie Länder, die sich sehr ähnlich sind. Karl Kraus sprach von der gemeinsamen Sprache, die uns trennt. Sie erzeugt den Anschein von Nähe. Aber so vieles ist unterschiedlich, zum Beispiel beim Einsatz der Sprache oder bei der Machtverteilung von Bund und Ländern. Die Engländer sagen dazu “false friends”: Man denkt, etwas ist gleich und erst bei näherem Hinschauen sieht man, es ist anders.
zur Person
Ralf Beste, geboren am 21. Juni 1966 in Witten, ist seit September 2019 deutscher Botschafter in Österreich. Zuvor war Ralf Beste, der Geschichte in Bochum, Bielefeld und Baltimore studierte, als Journalist tätig, etwa für die „Berliner Zeitung“ und den „Spiegel“.
Magdalena Raos, Michael Prock
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