Mit Kriegsbeginn in Slowenien zerfiel Jugoslawien

Politik / 25.06.2021 • 14:55 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Mit Kriegsbeginn in  Slowenien zerfiel Jugoslawien
Am Beginn des Zehn-Tage-Krieges wurden an den Grenzübergängen Sloweniens Schilder ausgetauscht. APA

Vor 30 Jahren wurden am Balkan die Grenzen neu gezogen.

LJUBLJANA, SCHWARZACH  Als Staatspräsident Josip Broz Tito am 4. Mai 1980 starb, begann in Jugoslawien der Konflikt zwischen den Volksgruppen zu schwelen. Er hatte die sechs Teilrepubliken und zwei autonomen Provinzen als föderalistischen Staatenbund 35 Jahre lang zusammengehalten.

Am 25. Juni 1991 beschlossen Slowenien und Kroatien ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien – gegen den Willen der Zentrale in Belgrad sowie der Europäischen Gemeinschaft und der USA, aber mit Unterstützung der deutschen und österreichischen Regierung. Am 26. Juni besetzten slowenische Milizverbände die Grenzstationen zu Österreich, Ungarn und Italien und tauschten die Schilder aus. Darauf stand nun „Republika Slovenija“, nicht mehr „Socialistična Federativna Republika Jugoslavija“ (Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien).

Erste Todesopfer

Am Morgen des 27. Juni wurden Einheiten der JNA (Jugoslavenska Narodna Armija / Jugoslawische Volksarmee) zu den Grenzstationen geschickt, um diese wieder unter die Kontrolle der Regierung in Belgrad zu bringen. An mehreren Orten brachen Gefechte zwischen der slowenischen Territorialverteidigung und der JNA aus, auch mit Einsatz von Artillerie. Erste Todesopfer gab es am Grenzübergang Bleiburg-Grablach (Pliberk-Holmec). Eine kleine Gruppe Volksarmisten hatte sich erkennbar mit einer hochgehaltenen weißen Fahne den slowenischen Milizionären ergeben. Doch diese eröffneten das Feuer auf die Volksarmisten und erschossen zwei von ihnen. An diesem Tag wurden in Slowenien über 40 unbewaffnete JNA-Soldaten getötet.

Sloweniens Präsident Milan Kučan verhandelte daraufhin umgehend einen Waffenstillstand aus, und der Slowenienkrieg war am 7. Juli 1991, durch die Unterzeichnung des Brioni-Abkommens, aus. Insgesamt wurden während des Zehn-Tage-Krieges 74 Tote und mehr als 300 Verwundete durch Kampfhandlungen gezählt. Ende Juli 1991 brach der Krieg in Kroatien aus. JNA, serbische Freischärler und nationalistische Paramilitärs bekämpften Kroatische Nationalgardisten und Neo-Ustascha-Krieger. Kriegsschauplätze waren hauptsächlich jene Gebiete, die mehrheitlich von Serben bewohnt waren, etwa Ostslawonien. Schwere Gefechte gab es auch in Dalmatien, etwa zwischen Zadar und Dubrovnik. Am 2. Jänner 1992 trat ein Waffenstillstand in Kraft. Die Kontrolle über sein gesamtes Staatsgebiet erlangte Kroatien jedoch erst nach der Eroberung der von den Serben kontrollierten Krajina im August 1995. Bilanz des Kroatienkrieges: ca. 12.000 Tote, 33.000 Verletzte, 3000 Verschollene.

Krieg schwappt auf Bosnien über

Im März 1992 schwappte der Krieg auf Bosnien über. Die meisten Menschen kamen während der Belagerung Sarajevos (1992 bis 1995) und durch das Massaker von Srebrenica (1995) ums Leben. Mit 80.500 Toten und 17.000 Vermissten wurde der Bosnienkrieg am 14. Dezember 1995 mit dem Dayton-Friedensabkommen als beendet erklärt. Aus Bosnien kamen die meisten Flüchtlinge nach Vorarlberg.

Das Bild dieses Landes ähnelt immer mehr dem gemeinsamen Staat, den wir verlassen haben.

Milan Kučan, ehemaliger Präsident Sloweniens

Milan Kučan (80) äußerte sich zum 30. Jahrestag der Unabhängigkeit kritisch über den Zustand der Demokratie in Slowenien, wo alles anfing: „Das Bild dieses Landes ähnelt immer mehr dem gemeinsamen Staat, den wir verlassen haben.“ Damit meint er das kommunistische Jugoslawien und die aktuelle Regierung des rechtskonservativen Premiers Janez Janša. Auf die Frage, was er den Bürgern mitteilen würde, sagte Kučan: „Slowenen, kommt zur Vernunft! Ihr lebt in einem anderen Land als jenem, das ihr euch gewünscht habt.“

Heidi Rinke-Jarosch

Jugoslawienkrieg 1991-1999

Juni 1991 Slowenien und Kroatien erklären ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien. Der Zehn-Tage-Krieg in Slowenien beginnt und damit der Zerfall des Staates Jugoslawien.

Juli 1991 Krieg bricht in Kroatien aus. Gekämpft wird hauptsächlich in den mehrheitlich von Serben bewohnten Gebieten.

September 1991 Krieg bricht in Mazedonien aus.

Jänner 1992 Waffenstillstand in Kroatien.

April 1992 Nach der Unabhängigeitserklärung Bosniens brechen im ganzen Land Kämpfe aus.

Oktober 1992 In Bosnien beginnt der Krieg im Krieg zwischen Muslimen und Kroaten und dauert ein halbes Jahr.

Februar 1994 Erstmals greift die Nato ein und schießt serbische Flugzeuge ab.

Juli 1995 Bosnisch-serbische Truppen erobern die UNO-Schutzzone Srebrenica. Bis zu 8000 muslimische Männer werden ermordet.

August 1995 Im Blitzkrieg “Operation Sturm” erobert die kroatische Armee die Krajina zurück.

November 1995 In Dayton (USA) wird der Friedensvertrag für Bosnien abgeschlossen, der Krieg beendet. Das Land wird in die zwei weitgehend autonomen Einheiten, Muslimischkroatische Föderation und Serbische Republik, aufgeteilt.

Februar 1998 Im Kosovo beginnen Kämpfe zwischen UCK und serbischer Armee.

März 1999 Die Nato bombardiert 78 Tage lang Serbien und Montenegro.

Juni 1999 Der Kosovo wird UN-Protektorat.