Empörung über Öffnungsschritte

Politik / 06.07.2021 • 22:40 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Scharfe Kritik an dem von Johnson in Aussicht gestellten Ende der Corona-Maßnahmen in England.

london Das angekündigte Ende aller Corona-Vorschriften in England hat einen Sturm der Entrüstung gegen den britischen Premierminister Boris Johnson ausgelöst. Ärzte, Gewerkschaften, Bürgermeister und Opposition kritisierten vor allem die Entscheidung, die Maskenpflicht im Nahverkehr und in Geschäften aufzuheben.  „Es besteht eine klare Diskrepanz zwischen den Maßnahmen, die die Regierung plant, und den Daten und Ansichten von Wissenschaftlern und Ärzten“, sagte der Chef der Ärztevereinigung BMA, Chaand Nagpaul.

Am Vortag hatte Premierminister Boris Johnson bestätigt, dass die verbliebenen Corona-Maßnahmen in England am 19. Juli aufgehoben werden sollen. Dazu zählen Abstandsregeln und Maskenpflicht. Nachtclubs und Discos dürfen wieder öffnen, für Veranstaltungen gibt es keine Zuschauerbegrenzungen mehr. Eine verbindliche Entscheidung soll am Montag fallen. Offen ist noch, wie sich die Pläne auf Schulen und Reisen auswirken.  „Diese Pandemie ist beileibe nicht vorbei“, hatte Johnson betont. Doch die Impfstoffe hätten die Verbindung zwischen Neuinfektionen sowie Todesfällen und Krankenhauseinweisungen deutlich geschwächt. „Wir müssen ehrlich sein: Wenn wir die Gesellschaft nicht in den kommenden Wochen wieder öffnen können (…), wann werden wir sonst zum normalen Leben zurückkehren können?“

Für die Maske

Das Land befinde sich in unbekanntem Territorium, sagte die Gesundheitswissenschaftlerin Devi Sridhar bei Sky News. Es handle sich um ein „massives Experiment“. Oppositionsführer Keir Starmer von der Labour-Partei nannte Johnsons Pläne „rücksichtslos“. Der Bürgermeister der Metropolregion Liverpool, Steve Rotherham, wies auf eine Yougov-Umfrage hin, laut der 71 Prozent der Briten für die Beibehaltung der Maskenpflicht sind. Londons Bürgermeister Sadiq Khan kündigte an, das Maskentragen in U-Bahnen, Bussen und Zügen mit Verkehrsunternehmen und der Regierung zu besprechen.

 In Großbritannien ist die Zahl der Corona-Infektionen zuletzt wieder in die Höhe geschnellt: Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Neuinfektionen pro 100 000 Menschen binnen einer Woche, wurde zuletzt mit 229,9 angegeben (Stand: 30. Juni). Grund ist die rasche Ausbreitung der Delta-Variante. Gesundheitsminister Sajid Javid verteidigte die Pläne. Die Zahl der Neuinfektionen werde sich zwar erhöhen. Aber: „Die Impfstoffe wirken, sie sind unser Schutzwall“, sagte Javid bei Sky News. „Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben.“

Mehr Pubs öffnen

Der Branchenverband UK Hospitality, der Gaststätten und Tourismusbetriebe vertritt, lobte die Ankündigung als Meilenstein. Der Kneipenverband British Beer and Pub Association wies darauf hin, dass endlich mehr als 2000 Pubs öffnen könnten, die immer noch geschlossen haben. Auch die Veranstaltungsbranche zeigte sich begeistert. Der Industrieverband CBI begrüßte die Pläne ebenfalls, mahnte aber, Unternehmen müssten die Sicherheit ihrer Angestellten an erste Stelle setzen.

„Wann werden wir sonst zum normalen Leben zurückkehren können?“

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