DDR-Zeitzeuge zu 60 Jahre Mauerbau: „Für Mutter brach eine Welt zusammen“

Politik / 13.08.2021 • 08:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
DDR-Zeitzeuge zu 60 Jahre Mauerbau: „Für Mutter brach eine Welt zusammen“
Der gebürtige Leipziger René Helfer ist dem Vorarlberger Fechtsport bis heute treu verbunden.

René Helfer floh 1989 aus der DDR in den Westen. Das Bauwerk stellte seine Familie vor neue Tatsachen.

Dornbirn René Helfer kann sich noch gut an die Mauer erinnern. Der in Leipzig (Sachsen) aufgewachsene heutige Präsident des Vorarlberger Landesfechtverbandes war mit der Abgrenzung, anders als viele Bewohner Berlins, zwar nicht täglich konfrontiert. Doch im Teenager-Alter kam der junge Sportler regelmäßig für Trainingseinheiten in die Stadt. „Ich weiß noch, dass die S-Bahn direkt an der Mauer entlang fuhr. Das war schockierend.“

Für Helfers Familie war die markante Symbol der Trennung der beiden Deutschlands überhaupt früh ein Thema. Die Großeltern des heute 56-Jährigen lebten getrennt, seine Oma wohnte in Leipzig, der Opa in Berlin. „Meine Mutter wuchs in Leipzig auf, wollte aber immer zum Vater nach Berlin ziehen. Mit 18 Jahren sah sie die Zeit gekommen“, erzählt Helfer. Allerdings dauerte es, bis die junge Frau dies zu Hause abklären und sich mit ihrem Wunsch durchsetzen konnte. In der Zwischenzeit wurde die Mauer gebaut, der Traum zerplatzte. Der Vater lebte im westlichen Teil der geteilten deutschen Stadt, seine Tochter konnte plötzlich nicht mehr zu ihm. „Ab und an konnte er zwar noch vorbeikommen, aber nicht regelmäßig. Für meine Mutter ist damals eine Welt zusammengebrochen.“

Suche nach Perspektiven

Seine eigene Kindheit in der DDR sei recht schön gewesen, sagt der gebürtige Leipziger. Als Leistungssportler konnte er sich über viele Förderungen und Möglichkeiten freuen. Erst als er älter wurde, begann sich Helfer Fragen nach der eigenen Perspektive zu stellen. „Bei der Berufswahl fragt man sich, was mache ich in der Zukunft? Da wird einem bewusst, wo die Einschränkungen liegen.“

So spielte die Mauer, wenngleich unbewusst, auch zu einem späteren Zeitpunkt im jungen Leben des Ostdeutschen eine wichtige Rolle. Denn Helfer floh zufälligerweise am 9. November 1989 aus der DDR – genau an jenem Tag, an dem das Bauwerk nach 28 Jahren fallen sollte. Als er sich in seinen 20ern mit der damaligen Freundin mit dem Flugzeug auf den Weg von Leipzig nach Budapest machte, wusste er das noch nicht. Auch als das Paar mit dem Taxi in Richtung der österreichischen Grenze fuhr, ahnte es nicht im Geringsten, dass an diesem Tag etwas Historisches passieren würde. Erst nach Ankunft in Österreich konnte Helfer die unglaublichen Nachrichten vor dem Fernseher verfolgen. „Das war schon extrem emotional.“

Zunächst lebte Helfer drei Jahre lang in Wien, wo er als Fechttrainer tätig war. Schon im Februar 1990 konnte er unverhofft wieder in seine alte Heimat zurückkehren. Damals fand ein Trainingslager in Leipzig statt. „Die österreichischen Kinder, mit denen ich dort war, haben die Reise als totales Abenteuer empfunden. Es gab ja zum Beispiel noch die DDR-Mark. Die Kinder wussten überhaupt nicht, was auf sie zukommt.“ Auch dass Helfer schließlich nach Dornbirn kam, hatte mit dem Sport zu tun. Obwohl er mittlerweile in der Schweiz wohnt, ist der 56-Jährige bis zum heutigen Tag eng mit dem Vorarlberger Fechtsport verbunden. Ob es damals kurz vor seiner Flucht in irgendeiner Weise absehbar war, dass die Berliner Mauer fallen könnte, verneint Helfer. „Es war klar, dass eine Art von Umbruch in der Luft lag. Aber wie sich die Dinge ändern oder ob sie sich überhaupt ändern könnten, war nicht klar, absolut nicht.“

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