„Schwarzer Tag für Menschenrechte“

Politik / 16.08.2021 • 23:06 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Gebürtiger Afghane Valid Ebadi über die Situation in seinem Heimatland.

Schwarzach Der selbstständige Dolmetscher Valid Ebadi floh 2004  aus der afghanischen Hauptstadt Kabul. Seit fünf Jahren lebt der 30-Jährige in Bregenz. „Heute ist nicht nur ein rabenschwarzer Tag für die Menschen in Afghanistan, sondern für alle diejenigen, die für die Freiheit und die Menschenrechte stehen“, sagt Ebadi im Gespräch mit den VN. Überrascht zeigt er sich von dem Tempo, in dem die Taliban in den vergangenen Wochen die afghanische Städte und Provinzen unterworfen haben. „Ich habe noch vor zwei Wochen in den Nachrichten gelesen, dass es in den kommenden drei bis sechs Monaten möglich sei, dass die Taliban Afghanistan erobern, was ich nicht für möglich hielt.“ Vor allem die Tatsache, dass es kaum Gegenwehr der afghanischen Armee gab, verwundert ihn.

Verwandte und Familie, die Valid Ebadi in seinem Geburtsland hat, seien sehr erschrocken und verängstigt angesichts der aktuellen Vorgänge. „Demokratie und Freiheit wurden in diesen Tagen offiziell begraben.“ Das Leben in Afghanistan habe sich seit dem Vormarsch der Taliban grundlegend verändert. In den letzten Telefonaten berichteten Verwandte, sich in den Wohnungen verbarrikadiert zu haben, die Straßen seien leer. „Es wird von einigen Politikern gesagt, dass die Menschen nicht aus dem Haus gehen sollen. Auch die Bevölkerung hat nicht damit gerechnet, dass das alles so schnell geht. Sie waren nicht darauf vorbereitet“, schildert Ebadi. Der 30-Jährige geht davon aus, dass die Taliban zunächst versuchen werden, ein falsches Gesicht von sich zu zeigen. „Aber die Welt wird die Wahrheit schnell zu sehen bekommen.“

Abschiebungen nicht vertretbar

Was der gebürtige Kabuler von der Position des österreichischen Innenministers Karl Nehammer (ÖVP) hält, der nach wie vor Abschiebungen in das Kriegsgebiet durchführen will? „Eigentlich gibt es seit Mitte Juni keine Abschiebungen mehr nach Afghanistan. Ich denke, man vermeidet das Wort Abschiebestopp, um gewisse Wählerstimmen nicht zu verlieren“, sagt der Dolmetscher. „Meine Meinung ist, dass Schwerverbrecher im Rahmen des Gesetzes abgeschoben werden sollen. Aber alles andere wäre derzeit sowohl moralisch als auch menschlich nicht vertretbar.“ VN-MIH

„Die Menschen verbarrikadieren sich aus Angst in ihren Wohnungen. Die Straßen sind leer.“