Kathrin Stainer-Hämmerle

Kommentar

Kathrin Stainer-Hämmerle

Unakzeptables Schweigen

Politik / 17.08.2021 • 22:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Die Bilder aus Afghanistan könnten nicht dramatischer sein. Doch weder Außenminister Alexander Schallenberg noch Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) klären auf, welche Haltung die Republik Österreich zur Rückkehr der Taliban vertritt. Ja, Kabul ist weit weg. Aber 2015 hat uns gelehrt, dass selbst Konflikte in 5000 km Entfernung rasch an unserer Haustüre anklopfen können.

Wenn sich Menschen ohne Hoffnung an abfliegende Militärmaschinen klammern, dann wagen sie noch mehr als damals den Marsch ins Ungewisse. Ungeachtet des österreichischen Innenministers, der immer noch die wissenschaftlich längst widerlegten Pull-Faktoren strapaziert – im Glauben, Österreich für Asylsuchende möglichst unattraktiv zu machen. Gar infam sind Nehammers Versuche, deren Flucht als illegale Migration anzuprangern, wenn sie nicht in einem Nachbarland endet.

Ja, Österreich ist neutral und vermeintlich zu klein, um sich in internationale Konflikte einzumischen. Während der Außenminister die Taliban zur Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgefordert hat, nimmt er selbst dort wahrscheinlich gar nicht Platz. Dennoch ließ Schallenberg die afghanische Botschafterin in Wien maßregeln, als sie um einen Abschiebestopp in ihr Land bat. Die offizielle Politik geht lieber außenpolitisch in Deckung als ein paar Wähler im Inland zu vergrämen. Nehammer vergisst, dass er nicht mehr Generalsekretär der ÖVP ist, sondern Teil der Bundesregierung.

Diese könnte sich etwa auf europäischer Ebene für eine solidarische Asylpolitik einsetzen. Grenzen zu schließen ist jedenfalls nicht jene humanitäre Hilfe, die Bundespräsident Van der Bellen spät aber doch forderte. Zumindest die Mädchen und Frauen in Afghanistan verdienen unseren Schutz und unseren Einsatz für ungeteilte Menschenrechte. Entgegen der Aufforderung von US-Präsident Biden ist es ihnen nicht möglich, um ihre Freiheit zu kämpfen. Die Versprechen der Taliban sind jedenfalls nichts wert, wenn es um Sicherheit, Bildung und Selbstbestimmung von Frauen in diesem Land geht. Weder Österreich noch die EU können sich von dieser Verantwortung mit Geld an die Nachbarländer freikaufen.

Nicht zuletzt sollte endlich geschehen, was seit Jahren im Nahen Osten und auch im Hindukusch versäumt wurde. Ziel der Flüchtenden ist der Schutz ihres Lebens, selten ihr Land dauerhaft zu verlassen. Wir sollten sie daher als politische Flüchtlinge behandeln und nicht wie Wirtschaftsmigranten. Das bedeutet, ihnen Exil zu geben, mit ihnen parallele demokratische Strukturen aufzubauen, mit ihnen künftige Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher und kultureller Ebene zu besprechen. Damit der Widerstand gegen totalitäre Kräfte wie die Taliban bereits organisiert und mit besten Kontakten zur EU nach Afghanistan zurückkehrt.

„Die offizielle Politik geht lieber außenpolitisch in Deckung als ein paar Wähler im Inland zu vergrämen.“

Kathrin Stainer-Hämmerle

kathrin.stainer-­haemmerle@vn.at

FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.