Regierung plant stärkeres Plus für Bezieher kleiner Pensionen

Nach Gesetz würden Pensionen um 1,8 Prozent steigen.
wien Statistik Austria veröffentlichte gestern den Pensionsanpassungsfaktor für das kommende Jahr. Aufgrund der Preissteigerungen in den vergangenen zwölf Monaten müssten alle Pensionen um 1,8 Prozent erhöht beziehungsweise wertgesichert werden. Das ist gesetzlich so vorgesehen. In der Regel wird auf parlamentarischer Ebene jedoch eine Abweichung davon beschlossen. „Soziale Staffelung“ ist das Motto: Pensionen bis 1400 Euro wurden heuer beispielsweise um 3,5 Prozent erhöht, Pensionen ab 2333 Euro dagegen nur um einen Fixbetrag von 35 Euro, was einem Bruchteil davon entspricht.
Seniorenvertreter fordern nun mindestens 1,8 Prozent für alle sowie eine stärkere Erhöhung für Bezieher kleiner und mittlerer Pensionen. Eine soziale Staffelung wird von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Aussicht gestellt: „Details werden in den kommenden Wochen ausgearbeitet“, lässt er wissen. Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) will die Pensionen so erhöhen, dass Altersarmut reduziert wird. Das könnte in dieselbe Richtung gehen.
Abweichung ist die Regel
Der Sozialforscher Bernd Marin hat grundsätzlich nichts gegen eine gestaffelte Anpassung einzuwenden. Im Gegenteil: „Ich habe durchaus Sympathien für ein Stufenmodell“, sagt er im Gespräch mit den VN, wendet sich jedoch „gegen schlampige Rechtsverhältnisse: Gesetzlich vorgesehen ist seit 2004 eine einheitliche Anpassung nach Verbraucherpreisindex. In 15 von 18 Jahren ist man jedoch davon abgewichen und hat besonders in Wahljahren nach Gutsherrenart agiert, also mehr gewährt, um gewählt zu werden.“
Marin lässt außerdem Zweifel daran aufkommen, dass es ein breites Bewusstsein für die Folgen gestaffelter Anpassungen gibt: „Abgesehen von der Ausgleichszulage (Mindestpension; Anm.) ist schon die Durchschnittspension nicht dauerhaft auch nur gegen die Teuerung voll abgesichert.“ Eine Untersuchung für eine Dekade ab Anfang der 2000er unterstreiche dies: Bei einer Inflation von insgesamt 24,8 Prozent ist demnach zwar die Ausgleichszulage mit einem Plus von 32,8 Prozent wirklich erhöht worden. Durchschnittliche Pensionen, geschweige denn höhere Pensionen haben mit einem Plus von lediglich 22,2 bzw. 16,6 Prozent jedoch an Wert verloren: „Über eine Pensionsdauer von rund 25 Jahren können sich so schmerzliche Verluste ergeben.“
Abgesehen von der Ausgleichszulage ist die Durchschnittspension nicht dauerhaft gegen die Teuerung voll abgesichert.
Bernd Marin, Sozialforscher
Abgesehen davon könne das Versicherungsprinzip ausgehöhlt werden, so der Sozialforscher: „Man kann über alles reden, auch eine Grundrente oder Volkspension, unabhängig von der Beitragsleistung. Die Frage ist, ob die Leute das wollen. Umfragen zeigen, dass weit über 90 Prozent die klassische Sozialversicherung, wonach höhere Beiträge auch zu höherer Pension führen, und keine reine Sozialhilfe wollen.“
Größter Ausgabenposten
Das Pensionsthema ist während der Pandemie freilich aus dem Fokus geraten: „Das ist zwar verständlich, weil Corona im Vordergrund steht, löst aber nicht das Problem längerfristig steigender Kosten“, erklärt Marin, der darauf auch in seinem aktuellen Buch „Die Welt danach“ eingeht. Zuletzt habe der Staat „Koste es, was es wolle“ sehr viel Geld ausgegeben: „Trotzdem bleiben Pensionen im Krisenhaushalt 2021 mit 23,5 Prozent der weitaus größte Posten. Über Milliarden Zuwachsdynamik wird kein Wort verloren.“
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