Nachmittagsbetreuung: Wieso ein Rechtsanspruch “geil” gewesen wäre

Von der Bankenmilliarde wurden bislang 180 Millionen Euro investiert. Doch auch in anderen Bereichen floss Geld.
Wien Das Programm wäre “echt geil” gewesen, sagt Thomas Schmid über den geplanten Rechtsanspruch auf Nachmittagsbetreuung an den Schulen. Es gab nur einen Haken: Die Idee kam weder von ihm – Schmid war damals Generalsekretär im Finanzressort – noch von jemandem, der Sebastian Kurz – damals Außenminister – bei seinem Aufstieg an die ÖVP-Spitze helfen könnte. „Wie kannst du das aufhalten?“, wollte Kurz daher wissen. Seitens des türkisen Flügels war dem damaligen Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mittlerlehner (ÖVP) kein Erfolg gegönnt.
Die Geschichte ist bekannt: Der Rechtsanspruch scheiterte. Aus der Milliarde, die bis 2025 fließen sollte, wurden 750 Millionen Euro für den Ausbau ganztägiger Schulformen und „Formen der Nachmittagsbetreuung“, wie es damals hieß. Später streckte Türkis-Blau die Auszahlung bis 2032.

823 Millionen für die Ganztagsschule
Die 750 Millionen Euro stammten von der damaligen Neuregelung der Bankenabgabe, auch „Bankenmilliarde“ genannt. SPÖ und ÖVP einigten sich darauf, das Geld in den Bildungsbereich zu investieren.
Die ÖVP fühlt sich ob der Erzählung, etwas verhindert zu haben, ungerecht behandelt. Schließlich habe der Bund seit 2017 knapp 1,6 Milliarden Euro in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert. Auf VN-Anfrage liefert das Bildungsministerium die Zahlen.

Demnach flossen seit 2017 712 Millionen Euro in den elementarpädagogischen Bereich. Für ganztägige Schulformen und die Nachmittagsbetreuung bleiben 823 Millionen Euro, die der Bund investierte. Dabei handelt es sich allerdings nicht nur um frisches Geld. Die Summe ergibt sich auch aus dem Finanzausgleich, wie es heißt. 203 Millionen Euro stammen aus früheren Vereinbarungen, deren Volumen noch nicht voll ausgeschöpft war. 440 Millionen wurden für Pädagogen in der Nachmittagsbetreuung bezahlt. Bereits vor 2017 gab es Geld dafür, die Investitionen seien aber sicher gestiegen, heißt es aus dem Bildungsministerium. 180 Millionen Euro flossen bis heute aus der sogenannten Bankenmilliarde in die Länder.

Volumen gestutzt
Der Ausbau der Ganztagsschule war ursprünglich mittels Bund-Länder-Vereinbarung geregelt. „Zwischen 2011 bis 2018 wurden 654 Millionen Euro zur Verfügung gestellt“, wobei für die Gemeinden nicht alles davon ausgeschöpft worden sei, berichtet Karoline Mitterer vom Zentrum für Verwaltungsforschung. Die Bankenmilliarde brachte 2017 eine Neuregelung per Gesetz. 750 Millionen sollten bis 2025 fließen. 2018 beschloss die türkis-blaue Koalition, die Auszahlung bis 2032 zu strecken. Anfang 2019 trat die Novelle in Kraft. Gleichzeitig wurde die Investitionssumme nahezu halbiert, wie Mitterer weiß: „Statt 750 Millionen Euro gibt es für den Zeitraum 2019 bis 2032 noch 428 Millionen Euro.“ Hinzu käme Geld, das aus ehemaligen 15a-Vereinbarungen nicht abgeholt wurde.

Schub durch Rechtsanspruch
Auch Vorgängerregierungen mussten schon Ausbaupläne drosseln, da die Länder nicht alle Mittel für die Gemeinden in Anspruch nahmen. „Der Knackpunkt ist, dass es das Geld nur zur Anschubfinanzierung gibt“, erklärt die Expertin für Föderalismus und Finanzausgleich. „Wenn die Gemeinden investieren, bleiben sie mit viel höheren laufenden Ausgaben zurück. Daher scheuen sich viele davor.“ Mitterer sieht außerdem einen Fehler im System: Es sind die Gemeinden, die bei der Nachmittagsbetreuung die Personalverantwortung tragen. Diese sollte wie bei den Pflichtschullehrern zu den Ländern übergehen. Dann würden bestimmt mehr Ganztagschulen gebaut, ist die Expertin überzeugt. Ein Rechtsanspruch hätte auch einen Schub und Finanzierungssicherheit gebracht. „Der Bund hätte für die Mehrausgaben aufkommen müssen, so wie es beim letzten Gratis-Kindergartenjahr ist.“ Bei der Nachmittagsbetreuung ist es aber nie so weit gekommen.


