Neue Regierungsmannschaft: Ein möglicher Befreiungsschlag

Van der Bellen ermahnt die Regierung, stets reinen Wein einzuschenken. Politologin ortet Chancen durch die Neuaufstellung.
Wien Der Weg nach der Angelobung war von lauten Pfiffen und Schreien begleitet. Die Polizei musste dem neuen Kanzler Karl Nehammer, seinen Ministern und deren Tross einen Korridor für die kurze Strecke von der Präsidentschaftskanzlei zum Bundeskanzleramt bilden. Demonstrierende Impfgegner hätten sie sonst blockiert. Und wenngleich Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach mittlerweile über 60 Angelobungen das Prozedere routiniert abspulte, war auch in der Hofburg nicht alles wie immer. So fiel etwa der klassische Umtrunk coronabedingt aus.

Corona war auch das einzige Thema in Van der Bellens kurzer Ansprache. Er forderte die Regierung auf, der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken, faktenbasierte Entscheidungen zu treffen und nachvollziehbar zu kommunizieren. Nehammer betonte bei der Amtsübergabe, er werde sich bemühen, die Spaltung der Gesellschaft zurückzudrängen. Das Virus belaste die Menschen. Es brauche Dialogbereitschaft und Respekt. “Es ist dringend geboten, auf die Menschen zuzugehen und ihnen die Sorgen und Ängste zu nehmen.” Neben dem Kanzler wurden auch Magnus Brunner (Finanzminister), Martin Polaschek (Bildungsminister), Gerhard Karner (Innenminister) und Claudia Plakolm (Staatsekretärin) angelobt.
Ein möglicher Befreiungsschlag
Die Neuaufstellung der ÖVP-Regierungsriege ist ein Signal für den Aufbruch in der Partei, aber auch in der Regierung, erklärt Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle bei Vorarlberg LIVE. Jene Personen, die in den Chatprotokollen auftauchten oder dort noch auftauchen könnten, sind nicht mehr Teil des Teams. “Das Damoklesschwert über der Regierung waren die Ermittlungen der Justiz.” Nun könnte eine Art Befreiungsschlag gelungen sein.

Inhaltlich sei nun wichtig, bei der Impfpflicht nicht zu wackeln. Umfragen zeigten, dass die Mehrheit der Bevölkerung dahinterstehe. Die Zuwanderungs- und Asylpolitik bleibt laut Stainer-Hämmerle sicher eine Sollbruchstelle in der Koalition. Als zweite nennt die Politologin die Verkehrspolitik: Zuletzt wurden Verkehrsprojekte wie der Lobautunnel oder die S18 hitzig diskutiert. Daneben werde sich die Bundesregierung mit zahlreichen weiteren Themen zu befassen haben. Priorität sollte sie einem Transparenz- und Parteienfinanzierungspaket einräumen. Außerdem müsse sie sich mit Klimawandel, Pflege, Pensionen und Budgets befassen. Eine zentrale Rolle nimmt dabei Finanzminister Magnus Brunner ein: “Er entscheidet, welche Projekte finanziert werden und wofür kein Geld mehr bleibt.”
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