Brunner im VN-Interview: “Sparen ist kein Selbstzweck”

Politik / 11.02.2022 • 17:50 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Brunner im VN-Interview: "Sparen ist kein Selbstzweck"
Es brauche Spielraum – auch für künftige Krisen, sagt Brunner. APA

Finanzminister über Krisen-Folgen, Inflation und EU-Schuldenregeln

London Die Corona-Krise brachte enorme Staatsschulden mit sich. Finanzminister Magnus Brunner sieht Österreich aber in einer guten Position. Neue Steuern soll es nicht geben, sagt er im VN-Interview in London. Zudem spricht er über hohe Energiepreise und die geplante Impfprämie für Gemeinden.

Ex-Bundeskanzler Kanzler Kurz gab zu Beginn der Pandemie die Parole aus: „Koste, was es wolle.“ Doch wer zahlt nun die Schulden? Geht es ohne Vermögenssteuer oder Sparpaket?

Ja. Wir hoffen, dass keine weiteren Lockdowns notwendig sind. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass wir die Wirtschaftshilfen bald zurückfahren können. Die pandemische Entwicklung geht glücklicherweise in die richtige Richtung. Öffnungsschritte sind möglich und wichtig für die Wirtschaft. Der Neustart läuft erfreulich. Österreich wurde heuer ein Wachstum von über fünf Prozent prognostiziert. Mein Zugang ist daher, dass Steuern reduziert und nicht erhöht werden. Es soll auch keine neuen geben.

Sie schließen ein Sparpaket aus?

Sparen ist wichtig, denn mit Steuergeld muss sorgsam umgegangen werden. Aber Sparpaket ist keines angedacht.

Die Impflotterie verzögert sich. Wären die 1,4 Milliarden Euro nicht anderweitig besser eingesetzt?

Mir wäre am liebsten, es bräuchte überhaupt keine Anreize für die Corona-Impfung. Lockdowns kosten aber auch, am Anfang waren es eine Milliarde Euro pro Woche, nun noch immer knapp 400 Millionen. Da ist mir jedes Mittel recht, um das künftig zu verhindern.

Wie sieht es mit der Impfprämie für Gemeinden aus, wo sich über 80 Prozent impfen lassen? Gibt es diese trotz Verzögerung?

Ja. Ich gehe davon aus, dass sie unabhängig von der Impflotterie kommt und das macht durchaus Sinn, da die Bürgermeister näher an den Menschen dran sind.

Sie wollen Wertpapiere mit der KESt-Befreiung (Kapitalertragssteuer) attraktiver machen. Was ist mit jenen, die das Sparbuch bevorzugen, da es weniger Risiko mit sich bringt? Sie schauen durch die Finger.

Das stimmt so nicht. Das Sparbuch war in der Vergangenheit mit Sicherheit eine attraktive Sparform. Wegen der aktuellen Zinssituation ist es das aber nicht mehr, sondern eine Geldentwertung. Insbesondere junge Menschen informieren sich zunehmend über alternative Sparformen, um für das Alter vorzusorgen. Das soll der breiten Bevölkerung ermöglicht werden. Natürlich braucht es eine Behaltefrist, damit Spekulanten nicht davon profitieren. Auch über Obergrenzen lässt sich diskutieren. Diese Gespräche finden gerade mit allen Beteiligten, auch den Sozialpartnern statt.

Aber nutzen diese Pläne letztlich nicht nur jenen, die ohnehin schon wohlhabender sind?

Nein, dafür gibt es ja die genannten Hebel. Über die Dauer der Behaltefrist kann man natürlich sprechen. Ziel ist es, die Teilhabe aller – vor allem zur Altersvorsorge – am Kapitalmarkt zu erhöhen.

Die Energiepreise steigen immer weiter an. Die Regierung hat einen Energiekostenausgleich angekündigt; die meisten Haushalte sollen einmalig 150 Euro bekommen. Ist das genug?

Es sind nicht nur 150 Euro. Wir haben ein großes Paket geschnürt. Für fast jeden Haushalt gibt es 150, für besonders Bedürftige noch einmal 300 Euro. Außerdem setzen wir die Ökostromförderbeträge und die Ökostrompauschale auf null – das bedeutet für jeden Haushalt noch einmal rund 100 Euro zusätzlich. Allein mit dem Teuerungs- und Energiekostenausgleich investieren wir 1,7 Milliarden Euro. Daneben haben wir die ökosoziale Steuerreform auf den Weg gebracht, die vor allem eine Entlastung von Geringverdienern bringt.

Was die hohe Inflation angeht: Ist die Europäische Zentralbank (EZB) gefordert, eine Zinserhöhung zu beschließen?

Die EZB hat mehrere Möglichkeiten. Sie fährt nun zuerst die Anleihekäufe zurück; das ist ein erster Schritt, um die Inflation abzudämpfen. Das weitere muss von den Experten genau überlegt werden. Immerhin bringt jede Änderung des Zinsniveaus Auswirkungen mit sich, was besonders die Länder im südlichen Europa betrifft, die einen hohen Schuldenberg angehäuft haben.

Das EU-Vorsitzland Frankreich plädiert für eine Lockerung der europäischen Schuldenregeln. Sie haben sich dagegen ausgesprochen. Wie ist da der Zuspruch auf EU-Ebene?

Es gibt mehrere Länder in Europa, die Stabilität in den Budgets sichern wollen. Wir müssen mittelfristig wieder zu einem nachhaltigen Pfad zurückkehren. Sparen ist kein Selbstzweck. Wir schaffen damit Spielraum, auch für mögliche zukünftige Krisen. Ich bin zuversichtlich, dass mein deutscher Kollege Christian Lindner, den ich am Montag treffe, diese Grundausrichtung unterstützt.

Trotz Steuerreform gibt es in Österreich noch immer die Kalte Progression. Wann kommt es endlich zur Abschaffung?

Aus meiner Sicht macht in der derzeitigen Situation eine Steuerreform mehr Sinn, und zwar aus mehreren Gründen. Zunächst ist das Volumen um ein vielfaches höher – es liegt bei 18 Milliarden Euro. Zweitens würden von der Abschaffung eher die besser Verdienenden profitieren. Und drittens lassen sich mit einer Steuerreform entsprechende Schwerpunkte setzen.

Sie wollen also definitiv die Kalte Progression abschaffen, nur noch nicht jetzt gleich?

Die Abschaffung bleibt unser Ziel.

Landeshauptmann Markus Wallner fordert, dass sich der Bund stärker bei der Finanzierung der Kinderbetreuung engagiert. Kommen Sie dem nach?

Es finden derzeit Verhandlungen über die neue Bund-Länder-Vereinbarung zur Elementarpädagogik statt. Wir sind in guten Gesprächen, auch mit dem Landeshauptmann.

Wallner kritisierte, dass der Bund zu wenig zahlt.

Ich bin zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung finden.

Die EU-Kommission hat Investitionen in Gas und Atomkraft im Rahmen der sogenannten Taxonomie als klimafreundlich eingestuft. Österreich will dagegen vorgehen. Sehen Sie da überhaupt Erfolgschancen?

Innerhalb der EU ist die Unterstützung tatsächlich nicht besonders groß. Doch unser Zugang ist: Wenn es um Taxonomie geht, darf Atomkraft keine Rolle spielen. Verkehrsministerin Leonore Gewessler wird deswegen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen. Es macht ökonomisch wie ökologisch keinen Sinn, Atomenergie in der Verordnung zu belassen. Natürlich kann man über Übergangszeiten sprechen – allerdings nur beim Gas und sicher nicht bei der Atomkraft.

Zuletzt haben Nebenabsprachen zu Koalitionsabkommen für Aufsehen gesorgt. Wussten Sie davon Bescheid?

Nein, da war ich nicht beteiligt. Ich bin jedenfalls froh über die Ankündigung von Bundeskanzler Karl Nehammer, dass sogenannte Sideletter der Vergangenheit angehören sollen. Alles, was ausgemacht wird, muss auch öffentlich werden.

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