Vorarlberger Banker in Kiew: “Seit den Morgenstunden Explosionen zu hören”

Privatbank-CEO Gerhard Bösch arbeitet seit 16 Jahren in der Ukraine. Oberstes Ziel sei es nun, die Mitarbeiter zu schützen.
Kiew „Seit den frühen Morgenstunden sind regelmäßig Explosionen zu hören, sodass hier die Fensterscheiben wackeln“, berichtet Gerhard Bösch, CEO der ukrainischen Privatbank, am Donnerstag aus Kiew. Der Vorarlberger wohnt direkt im Zentrum der Hauptstadt. Zum Zeitpunkt des Telefonats Mittwochmittag funktionierte das Internet nicht verlässlich, auch die Telefonverbindung war abgehackt.
Geweckt wurde Bösch um fünf Uhr Früh von Telefonaten. Seither ist die Bank im Krisenmodus, berichtet der Banker: „In allererster Linie gilt es nun, die Mitarbeiter zu schützen.“ 1500 Filialen und 20.000 Mitarbeiter hat die größte Bank der Ukraine. „Im Moment ist es schwierig, auch nur für die nächsten Stunden zu planen“, sagt Bösch.
Anzeichen von Panik
Die Stimmung bis Mittwoch war „ernsthaft, aber gelassen“, beschreibt er. Doch nun – seit den Angriffen am Donnerstag – gibt es erste Anzeichen von Panik: Viele Leute bemühen sich Richtung Westen, Straßen sind verstopft. Tankstellen werden von Kunden belagert, es gibt Schlangen vor Banken und Supermärkten.

„Die Bombardierung, die im ganzen Staat stattgefunden hat, deutet darauf hin, dass der Versuch einer militärischen Invasion begonnen hat“, sagt Bösch. Im ganzen Land wurde militärische Infrastruktur angegriffen. Zudem habe der ukrainische Staat informiert, dass an mehreren Stellen die Grenze von Weißrussland aus überschritten wurde. Auch direkt nördlich von Kiew.
Straßen verstopft
Was in den kommenden Tagen passiere, sei völlig unklar, sagt Bösch: „Wir versuchen uns auf dem Laufenden zu halten und unseren Job zu machen.“ Eine Ausreise gestalte sich seit heute als schwierig. „Zuerst müsste es gelingen aus Kiew wegzukommen. Und dann müsste man den richtigen Weg und genug Benzin finden, um sich innerhalb von vielleicht zwölf oder 15 Stunden sich Richtung polnischer, rumänischer, slowakischer oder ungarischer Grenze vorzuarbeiten. Aber das sind lange Reisen, vor allem bei dem Verkehr und es ist auch nicht gesagt, dass das sicherer ist.“
Bösch lebt seit 16 Jahren im Land und war zuvor viele Jahre für die Raiffeisen tätig. So eine Situation habe es in Kiew bislang nicht gegeben, berichtet er: „Das ist nun tatsächlich ein Krieg zwischen zwei großen Ländern. Das wird die Geschichte in Europa ändern. Und sehr wahrscheinlich nicht nur in Europa.“