Putins historischer Fehler
Die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright, heute 84, hat gerade für die „New York Times“ ihre Erinnerungen an das erste Treffen mit Putin im Jahr 2000 aufgeschrieben. Auf dem Heimflug hielt Albright ihre Eindrücke fest. „Putin ist klein und blass, schrieb ich, so kalt, dass er fast wie ein Reptil ist. Er behauptete zu verstehen, warum die Berliner Mauer fallen musste, hatte aber nicht erwartet, dass die gesamte Sowjetunion zusammenbrechen würde. Putin ist beschämt über das, was seinem Land passiert ist, und entschlossen, seine Größe wiederherzustellen.”
Nun wird er international geächtet, maximal kann Putin für sich verbuchen, gefürchtet zu werden.
Putin hat das russische Volk in die völlige Isolation geführt. Er flog nun aus dem Europarat und wird, wenn sich dann alle Amtsstuben in der EU durchringen, auch vom internationalen Zahlungssystem abgekoppelt. Macron hält noch Kontakt. Putin bleiben keine Freunde. Der iranische Präsident oder Chinas Xi Jinping griffen zum Telefonhörer. Am Freitagabend dann auch der syrische Machthaber Baschar al-Assad. Putin in bester Gesellschaft.
Eine realistische Sicht auf den russischen Diktator tut not. Vor allem für jene, die in den vergangenen Jahren, Monaten und auch noch in den letzten Tagen so viel Verständnis für “seine Situation”, die “russische Freundschaft” oder das “Sicherheitsbedürfnis Russlands” aufgebracht haben. Putin verfolgte konsequent seinen kalten Plan, die Sowjetunion mit Waffengewalt wiederherzustellen.
Er machte nicht an den Grenzen der Separatistengebiete halt, er wird nicht am Dnjepr stoppen. Es geht längst nicht nur um die Ukraine. Am Nachmittag ließ das russische Außenministerium wissen, dass “wir das Bekenntnis der finnischen Regierung zu einer militärischen Blockfreiheitspolitik als einen wichtigen Faktor zur Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität in Nordeuropa betrachten. Der Beitritt Finnlands zur Nato hätte schwerwiegende militärische und politische Auswirkungen.” Eine Drohkulisse, die nicht nur die Finnen frösteln lässt. Es ist also nicht Schwedens, nicht Finnlands Entscheidung, ob sie der Nato beitreten wollen!
Putin wollte international geachtet werden. Als er 2001 im deutschen Bundestag – in deutscher Sprache – sagte, dass “niemand Russland jemals wieder in die Vergangenheit zurückführen kann“. Russland sehe die Europäische Integration mit Hoffnung. “Wir tun das als ein Volk, das gute Lehren aus dem Kalten Krieg und aus der verderblichen Okkupationsideologie gezogen hat.” Tja.
Putin, der olympische Gastgeber von Sotschi, mit dem unsere Ski-Funktionäre mit Lustenauer Schnaps anstießen. Dieser aufstrebende Wirtschaftspartner, der mit Ex-Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl angesichts beider lang andauernden Amtszeiten über “gute Diktaktur” scherzte. Der vor drei Jahren noch zu Arbeitsgesprächen in der Hofburg bei Van der Bellen und im Kanzleramt bei Kurz und Strache saß.
Nun wird er international geächtet, maximal kann Putin für sich verbuchen, gefürchtet zu werden.
Madeleine Albright schrieb am Tag vor der Invasion: “Statt Russlands Weg zu wahrer Größe zu ebnen, würde ein Einmarsch in die Ukraine Putins Schande sichern, indem er sein Land angesichts eines stärkeren, geeinteren westlichen Bündnisses diplomatisch isoliert, wirtschaftlich lahmlegt und strategisch verwundbar macht.”
Putin ist über Nacht von einem, der seine Verbrechen zur Machtsicherung im Verborgenen begehen ließ, zu einem Kriegsverbrecher vor den Augen der ganzen Welt geworden.
Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
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