Reinhard Bösch: “Österreich muss aufrüsten”

Brigadier, FPÖ-Mandatar und Mitglied des Sicherheitsrates verurteilt die russische Aggression. Die Republik müsse sich auf Unvorhersehbares vorbereiten.
Schwarzach Es sind düstere Aussichten. Man befinde sich bereits im Kalten Krieg, der schon ein bisschen heiß geworden sei, sagt der Vorarlberger FPÖ-Nationalratsabgeordnete und Brigadier Reinhard Bösch im VN-Gespräch. Der Vorsitzende der Bundesheerkommission ist auch Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates. Österreich kann ihm zufolge aktuell nur zwei Dinge tun: die Landesverteidigung stärken und als neutrales Land versuchen zu vermitteln. Dass die Nato derzeit abwartend sei, “ist das einzige Glück Europas. Denn diese Konfrontation zwischen Russland und der Nato brächte die große Katastrophe über Europa”, sagt Bösch.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage sowohl aus militärischer als auch aus politischer Sicht?
Militärisch ist zu sagen, dass dieser Angriff Russlands auf die Ukraine zu verurteilen ist. Wir müssen in der gesamtpolitischen Beurteilung erkennen, dass es sich nicht um einen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine handelt, sondern um einen Konflikt zwischen Russland und dem Westen, namentlich den USA. Die Ukraine ist der Spielball dieses Machtspiels und kommt jetzt tragischerweise unter die Räder. Die EU ist leider strategisch blind und über weite Strecken militärisch hilflos geworden. Gerade in Zentraleuropa, namentlich die Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland und das österreichische Bundesheer wurden in den letzten Jahrzehnten dramatisch verkleinert und entmilitarisiert.
Was ist Ihrer Meinung nach nun zu tun?
Auf österreichischer Ebene sind zwei Dinge wichtig: Zum einen müssen wir als neutrales Land, als einziges Nicht-Nato- aber EU-Mitglied in Zentraleuropa den Konfliktparteien gute Dienste anbieten, um – wenn die Waffen wieder schweigen werden – wieder auf die Verhandlungsebene zurückzukehren. Zum anderen ist die österreichische Bundesregierung dringend gefordert, die umfassende Landesverteidigung wieder zu reaktivieren. Sie wurde 1975 einstimmig im Nationalrat beschlossen und ist seitdem leider Gottes totes Recht. Es handelt sich dabei um die geistige, die zivile, die wirtschaftliche und die militärische Landesverteidigung.

Was umfasst die geistige Landesverteidigung?
Die geistige Landesverteidigung beinhaltet den Willen der Staatsbürger, ihr Land zu verteidigen. Bei der zivilen geht es um den Zivilschutz, das war vor allem früher bei der atomaren Bedrohung wichtig. Bei der wirtschaftlichen geht es um die Selbstversorgung und Bevorratung auf allen Ebenen. Und auch die militärische Landesverteidigung ist ganz klar unzureichend. Wir müssen hier Strukturen schaffen, die es Österreich möglich machen, auch schwere Krisen zu überstehen.
Russland kündigt Vergeltung gegen den Westen an. Wie groß ist die Gefahr?
Die Gefahr ist sehr groß. Wir müssen bei diesem Sanktionsregime mit Hausverstand vorgehen, weil das nicht nur den Konfliktteil Russland treffen wird, sondern ganz Europa, vielleicht die ganze Welt. Gerade in Hinblick auf die Teuerung, die Inflation, aber auch auf die Stabilität des gesamten Bankwesens. Noch hat Russland nicht begonnen, wir müssen uns aber auf massive Cyberangriffe vorbereiten, die – so wissen wir heute – die gesamte Gesellschaft lahmlegen können.
Was kann man aber tun? Russland geht mit schwerer Aggression vor, bricht Völkerrecht. Da braucht es doch eine Reaktion?
Das ist eine schwere Aggression, die zu verurteilen ist. Aber im Moment muss sich Europa für unvorhergesehene Entwicklungen rüsten. Dazu zählt auch die Republik Österreich. Noch scheint es nicht der Fall zu sein, dass sich die Nato zu einem Gegenangriff entschieden hat. Sie ist derzeit abwartend und das ist das einzige Glück Europas. Denn diese Konfrontation zwischen Russland und der Nato brächte die große Katastrophe über Europa mit der Gefahr einer nuklearen Eskalation und der neuerlichen Verwüstung ganz Europas.
Herrscht schon der Kalte Krieg?
Es ist selbstverständlich ein Kalter Krieg, mittlerweile ein bisschen heiß.

Wie kommen wir da noch raus?
Im Moment ist die Lage völlig unklar. Wir wissen nicht, wie es in der Ukraine weitergehen wird. Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Absicht geäußert, der Ukraine das Staatsrecht abzusprechend, das deutet auf eine sehr schwierige Entwicklung hin. Ob es dazu kommt, dass die gesamte Ukraine unter russische Kontrolle gestellt und ein Besatzungsregime installiert wird, ist vollkommen unklar.
Aber was würde Russland danach tun?
Das wissen wir nicht. Wir wissen nicht, was im Kopf des Wladimir Putin geschieht. Zu hoffen ist, dass es regional begrenzt bleibt, aber wir wissen, dass die russische Föderation auch zahlreiche Konfliktfelder im Kaukasus und in anderen ehemaligen Sowjetrepubliken dieses Raumes hat und auch dort ist in der Entwicklung alles möglich.
Es sind düstere Aussichten.
Ja, aber wir hätten noch Zeit, uns vorzubereiten.
Zur Person
Reinhard Bösch ist FPÖ-Nationalratsabgeordneter, Brigadier, Präsidiumsmitglied der Parlamentarischen Bundesheerkommission und Mitglied im Nationalen Sicherheitsrat. Von 1991 bis 1995 war er Vorsitzender des Vorarlberger Zivilschutzverbandes.
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