Jodtabletten ausverkauft: Wie sie wirken und wer es braucht

Der Krieg in der Ukraine hat Panikkäufe von Kaliumjodid hervorgerufen. Apothekerkammerpräsident Jürgen Rehak klärt auf, wie es im Fall eines nuklearen Ereignisses schützt. Der Notvorrat für Kinder und Schwangere sei zudem gefüllt.
Höchst Nuklearwaffen, Kämpfe rund um Atomkraftwerke: Der Angriff Russlands auf die Ukraine ruft Ängste vor Atomunfällen hervor. Zuletzt waren Kaliumjodid-Tabletten in Vorarlberg ausverkauft.
Apothekerkammerpräsident Jürgen Rehak entwarnt: Ein Notdepot für Kinder und Schwangere ist immer gefüllt. Im Gespräch mit den VN erklärt der Vorarlberger, was das Medikament bewirkt, für wen es geeignet ist und wer es zu Hause haben sollte.
Ist es sinnvoll Kaliumjodid auf Vorrat zu Hause zu haben?
Ob die Bedrohung durch Russland einen realen Hintergrund hat, oder ob es nur ein Säbelrasseln ist, kann ich nicht einschätzen. Aber grundsätzlich halte ich es für sinnvoll Kaliumjodid auf Vorrat zu haben. Bei dem Atomreaktorunfall von Tschernobyl wurden Kaliumjodid-Tabletten als Notfallversorgung in Apotheken eingelagert – insbesondere für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre und für Schwangere und Stillende.
Was bewirkt Kaliumjodid im Körper?
Bei einem nuklearen Ereignis werden radioaktive Isotope freigesetzt, insbesondere Jod-131, Cäsium-137 und ein Strontium-90. Jod-131 verhält sich zunächst einmal wie Jod und wird daher über die Nahrungskette in der Schilddrüse eingelagert. Jodid ist für die Funktion der Schilddrüse wesentlich. Wenn es verstrahlt ist, kann es aber zu Schilddrüsenkarzinomen und ähnlichen führen. Ziel ist es also, die Schilddrüse mit Jodid aufzufüllen, damit sich das verstrahlte Jodid-131 nicht einlagern kann.
Wie lange halten die Tabletten?
Kaliumjodid ist ein ganz einfaches, anorganisches Salz. Normalerweise hält es sehr lange. Die Tabletten wurden aber erst vor ein paar Monaten österreichweit ausgetauscht.
Aber, das ist wichtig, nur auf Verdacht Kaliumjodid jetzt zu nehmen ist eine schlechte Idee
Jürgen Rehak
Gibt es einen Notvorrat in Schulen und Kindergärten?
Ja, sie sind immer aufgefordert, so etwas bereitszustellen und den Bestand regelmäßig zu erneuern. Grundsätzlich ist das geregelt.
Die Tabletten sind nur für Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende kostenlos. Welche Gründe hat das?
Das war 1986 eine gesundheitspolitische Entscheidung. Man hat es nicht für notwendig erachtet, eine Bevorratung für die ganze Bevölkerung zu machen. Aber diese Tabletten sind nicht teuer, kosten nur ein paar Euro.
Im Fall der Fälle würden Sie also auch Erwachsenen dazu raten, Kaliumjodid einzunehmen?
Ja. Im Krisenfall wird es dazu auch eine ganz klare politische Empfehlung geben. Aber, das ist wichtig, nur auf Verdacht Kaliumjodid jetzt zu nehmen ist eine schlechte Idee: Es kann zu Schilddrüsenüberfunktionen kommen. Die Schilddrüse steuert den gesamten Stoffwechsel. Das empfehle ich auf keinen Fall.
Wird uns die Information einer radioaktiven Wolke im Notfall überhaupt rechtzeitig erreichen? Bei Tschernobyl war das ja nicht der Fall.
Heute gibt es Aufklärung, die Medien arbeiten viel schneller und vernetzter. Unsere Meteorologen können uns vermutlich sogar auf die Minute genau vorhersagen, wann eine radioaktive Wolke ankommt.
Wie lang schützt Kaliumjodid?
Es hat eine Halbwertszeit von acht Tagen. Das heißt, danach ist noch die Hälfte da, nach weiteren acht Tagen ein Viertel. Das hält sich also eine zeitlang.
Wie ist die Versorgungslage in Vorarlberg im Moment?
Es ist alles ausverkauft. Da man es das ganze Jahr kaum braucht, waren nicht viele Packungen lagernd. Es ist aber nicht wahnsinnig schwierig herzustellen und es gibt einen großen Hersteller in der Steiermark. Ich nehme an, dass sie die starke Nachfrage mitbekommen haben und ihre Produktion wieder gesteigert haben.