Impfpflicht in Gesundheitsberufen als „verpasste Chance“

Experten pochen darauf, die Durchimpfungsrate im Sinne der vulnerablen Gruppen hoch zu halten.
Wien Ende des Vorjahrs lag bereits ein Gesetzesentwurf auf dem Tisch. Er sah eine Impfpflicht in Gesundheitsberufen vor und inkludierte unter anderem Ärzte, Krankenpfleger sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Sozialbetreuungsberufen. Dann kam die allgemeine Impfpflicht und der Entwurf verschwand wieder in einer Schublade. Nachdem die generelle Pflicht nun kaltgestellt wurde, greift die Regierung dieses Vorhaben aber vorerst nicht wieder auf, sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) im VN-Interview. Er wolle an der Impfpflicht „nicht partikular herumschrauben“. Viele Gesundheitsexperten forderten aber schon vor der Covid-Pandemie auf eine Impfpflicht in Gesundheitsberufen.
Ausgerechnet ein Mitglied jener Impfpflichtkommission, die in ihrem Bericht dazu riet, die allgemeine Impfpflicht vorerst auszusetzen, tritt nun für eine Impfpflicht in Gesundheitsberufen ein. Die Epidemiologin Eva Schernhammer plädiert dafür, da die Sterberaten ab 80 Jahren massiv steigen. Im Bericht der Kommission sei das deswegen kein Thema gewesen, da der Auftrag klar darin bestanden habe, die allgemeine Impfpflicht zu bewerten.
Für Humanmediziner Thoma Szekeres, der auch Präsident der österreichischen Ärztekammer ist, ist es wichtig, die Patienten „optimal zu schützen“, sagt er. Man müsse sich also überlegen, wie man die Durchimpfungsrate in den Gesundheitsberufen maximal hält. „Wenn das die Dienstnehmer machen, ist es auch recht. Wie man es erreicht, ist vermutlich nicht so entscheidend, als dass man es erreicht – im Sinne der Patienten“, sagt er den VN.
Im Wiener Allgemeinen Krankenhaus, wo Szekerez arbeitet, wird jeden Tag PCR getestet. Das sei zwar auch kein 100-prozentiger Schutz, aber reduziere die Gefahr viele Menschen anzustecken. Betreiber von Spitälern könnten zudem verhindern, dass auf Intensivstationen, Tumorabteilungen oder bei Frühgeborenen ungeimpftes Personal tätig ist. Ganz generell würde auch seiner Meinung nach eine Impfpflicht für Gesundheitsberufe die Situation vereinfachen. „Das wollten wir schon bei Masern und anderen Infektionskrankheiten“.
Impfpflicht zeigte sich relativ wirkungslos
Szekeres gibt jedoch zu bedenken, dass die allgemeine Impfpflicht nicht viel erreicht hat, die Impfquote stagnierte zuletzt: „Das ist enttäuschend. Ich befürchte, es wird in den Gesundheitsberufen nicht anders sein. Wahrscheinlich ist der Hebel über die Dienstgeber der bessere.“
Für Gesundheitsökonom Armin Fidler, Covid-Berater der Vorarlberger Landesregierung, ist es eine „verpasste Chance“, dass die Impfpflicht in Bereichen mit vulnerablen Gruppen vom Tisch ist. „Es geht nicht, dass ungeimpfte Pflegerinnen und Pfleger im Alten-, Sozial- und Gesundheitsbereich oder auch Lehrerinnen und Lehrer vor vulnerablen Gruppen ihren Beruf ausüben“, sagt er den VN.
Eine partielle Impfpflicht ließe sich rasch mit einer Verordnung umsetzen, die sich auf das Epidemiegesetz stützt, sagt Verfassungsjurist Peter Bußjäger. „Weshalb sollte es zu Verwirrungen führen, wenn man für das Personal von Gesundheitsberufen die Impfpflicht einführt? Wenn es eine medizinische Rechtfertigung dafür gibt, kann man das schon argumentieren“, sagt der Jurist.
Ein Blick in die Vorarlberger Institutionen zeigt, dass die Impfbereitschaft zwar sehr hoch ist, es aber immer noch Lücken gibt. Wie Landesrätin Katharina Wiesflecker Ende Februar in einer Aussendung informierte, sind laut einer Abfrage mehr als 80 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den mobilen Hilfsdiensten und in der Hauskrankenpflege vollimmunisiert. Das bedeutet, sie haben mindestens zwei Impfungen erhalten oder sind genesen und einmal geimpft. In den Vorarlberger Krankenpflegevereinen trifft das auf 82,5 Prozent zu. Zwei Drittel dieser Personen sind auch schon geboostert, also drei Mal geimpft. Doch immerhin 13 Prozent sind weder geimpft noch genesen. Auch in den Mobilen Hilfsdiensten sind 13 Prozent nicht geimpft.
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