Schweizer Jäger über Vorarlberg angeregt

Gerade in der NZZ denkt man laut über eine solidarische Neutralität nach – und Schweizer Luftüberwachung im Tirol-Korridor.
Zürich, Wien Die Schweiz gilt als Vorbild und Bollwerk der Neutralität. Aufhorchen lässt aber gerade das konservative Leitmedium der Deutschschweiz, die Neue Zürcher Zeitung (NZZ).
Deren Sicherheitsredakteur Georg Häsler fordert in einem Kommentar eine zum Völkerrecht solidarische Neutralität, über das Mittragen der Sanktionen hinaus. So könnte die kampfstarke Schweizer Luftwaffe den Tirol-Korridor als europäische Nord-Süd-Achse sichern, damit sich die NATO auf die Ostflanke konzentrieren kann. Denn Österreich könne es nicht.
Eine Randmeinung
Lea Schaad von der ETH Zürich forscht im Bereich der staatlichen Zusammenarbeit und war Teil des CSS für Sicherheitsstudien. Der Kommentar der NZZ vertrete eine Randmeinung innerhalb der Schweiz, ist sie überzeugt. Zwar bewirbt sich die Schweiz um einen Sitz im UN-Sicherheitsrat – betone hier aber gerade den nicht-militärischen Charakter dieses Gremiums und der Vereinbarkeit mit der Neutralität.

Die Debatte wurde mit dem Ukrainekrieg aber neu entfacht, gerade mit Blick auf die übernommenen Sanktionen gegen Russland. “Hätte die Schweiz als einziges europäisches Land keine Sanktionen verhängt, wäre das eher ein Zeichen der Solidarität mit Russland gewesen”, betont die Forscherin. “Die Diskussion um Schweizer Sanktionen zeigt auch, dass große Teile der Bevölkerung es ablehnen, die Schweizer Neutralität als Ausrede zu benutzen, um wirtschaftliche Ziele nicht zu gefährden.” Daran ändere auch der identitätsstiftende Charakter der Neutralität nichts.
Nacheile ja, Luftraumüberwachung nein
Der Vorschlag hätte vor allem innenpolitisch Vorteile. Schließlich will die Schweiz den USA hochmoderne Stealth-Kampfjets abkaufen, es macht daher Sinn, den USA entgegenzukommen. Aber bisher ist nur die luftpolizeiliche Nacheile, sprich Begleitung von Flugzeugen, erlaubt. Nicht von der Hand zu weisen ist aber die Einschätzung der Kampfstärke der österreichischen Luftwaffe: Um den Anschaffungspreis zu drücken, wurde auf für den Luftkampf wichtige Elemente verzichtet. Der österreichische Eurofighter ist mehr Polizeiauto als Kampfpanzer, mehr empfand man nicht als notwendig. “Das österreichische Bundesheer ist in einem so schlechten Zustand, dass es gar nicht mehr richtig funktioniert”, urteilte außerdem die Schweizer Verteidigungsministerin Viola Amherd im SRF 2020.
NAcheile
Nacheile bezeichnet die Durchsetzung hoheitlichen Rechts durch Verfolgung eines Flüchtenden über die Grenze des Gebietes hinaus. Paradebeispiel: Die Polizei muss die Verfolgung eines Strafverdächtigen nicht an der Staatsgrenze beenden. Dafür benötigt es entsprechende Abkommen zwischen den Staaten.
Ein entsprechendes Abkommen für den Luftraum gibt es zwischen der Eidgenossenschaft und Österreich seit 2019. Der Vertrag erlaubt nur die Verfolgung und Begleitung von Flugzeugen, bis die jeweils heimische Luftwaffe übernehmen kann. Der Waffeneinsatz ist untersagt.
Österreich hat bislang nur mit der Schweiz das entsprechende Abkommen. Man sei aber auch mit anderen Nachbarländern in entsprechenden Verhandlungen, bestätigt das Bundesverteidigungsministerium.
Der robuste, also militärische Einsatz Schweizer Kampfjets über dem ebenfalls neutralen westösterreichischen Luftraum stößt jedoch auf eigene Probleme. “Das ist nicht möglich, dem widerspricht unsere Verfassung und Neutralitätsgesetze”, betont der Sicherheitssprecher der SPÖ, Reinhold Einwallner. Wichtiger wäre ihm eine Diskussion, wie Österreich wieder zu einer auf der Neutralität fußenden Außenpolitik finden kann. “Wir wurden einmal vom Ausland für unsere Vermittlerrolle geschätzt”, erinnert Einwallner.

Ebenfalls aus Vorarlberg stammt der Wehrsprecher der FPÖ, Reinhard Bösch. Jeder souveräne Staat müsse über die Mittel verfügen, sich selbst verteidigen zu können. “Das ist erstrebenswert, das macht auch unabhängig”, betont der Brigadier a. D. Immerhin habe die Regierung angekündigt, den Eurofighter nachzurüsten um die Mankos zu stopfen. Der Idee Häslers kann er wenig abgewinnen, nicht zuletzt mit dem Blick auf die Neutralität: “Mit Blick auf die Entwicklungen Österreichs und der EU in den vergangenen 30 Jahren glaube ich, dass die Neutralität weiterhin ein taugliches sicherheits- und außenpolitisches Instrument ist.”

Schweden und Finnland stellen Neutralität in Frage
Gleichzeitig ist Österreich Mitglied der EU und deren Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und kooperiert mit der NATO in der Partnerschaft für den Frieden. Von der vielbeschworenen Neutralität blieb die Bündnisfreiheit, so wie auch bei Irland, Schweden und Finnland. Doch gerade Schweden erklärt dies erst diesen Monat für hinfällig. Man werde der EU im Falle eines Angriffes militärisch beistehen.

Das nordische Königreich nahm erst kürzlich an einem gemeinsamen Manöver der NATO teil – wie auch das ebenfalls bündnisfreie Finnland. Beide Länder fühlen sich von Russland bedroht, sowohl ihre Hoheitsgewässer als auch ihr Luftraum werde immer wieder von Russland bzw. fremden U-Booten verletzt.
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