Verletzte Waffenruhe

Politik / 06.05.2022 • 22:49 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
In der Umgebung von Mariupol sind nach Darstellung von Separatisten Straßenschilder ausgetauscht worden. AFP/Donetsk People Republic Ministry of Transport 
In der Umgebung von Mariupol sind nach Darstellung von Separatisten Straßenschilder ausgetauscht worden. AFP/Donetsk People Republic Ministry of Transport 

Evakuierungen in Mariupol: Ukraine berichtet von Beschuss durch Russland.

kiew Die Behörden in Mariupol werfen den russischen Streitkräften vor, eine Waffenruhe für Evakuierungen aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal verletzt zu haben, auch der Konvoi wurde beschossen. 50 Zivilisten konnten dennoch scheinbar aus dem Kampfgebiet gebracht werden. Dabei sei ein ukrainischer Kämpfer getötet und sechs weitere verletzt worden. Ursprünglich wurde ein weiterer Konvoi der Vereinten Nationen zur Evakuierung von rund 200 Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk erwartet. Bei zwei vorherigen Evakuierungen unter Vermittlung der UN und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz wurden etwa 500 Menschen aus Mariupol und Umgebung auf ukrainisch kontrolliertes Gebiet nach Saporischschja geholt.

Unterdessen geht der Beschuss auch in anderen Teilen des Landes weiter. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums ist zuletzt ein großes Munitionsdepot in Kramatorsk im Osten der Ukraine zerstört worden. „Mit luftbasierten Hochpräzisionsraketen wurde ein großes Munitionslager der ukrainischen Streitkräfte vernichtet, das auf dem Territorium der Fabrik Energomaschstal in der Stadt Kramatorsk angelegt war“, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Freitag. Ukrainische Behörden hatten am Vortag von einem massiven Raketenangriff auf die Stadt mit 25 Verletzten gesprochen.

Nach Moskauer Angaben waren zudem in den vergangenen 24 Stunden die taktische Luftwaffe und die Artillerie wieder sehr aktiv. Demnach habe die Luftwaffe 24 Militär­objekte beschossen, die Artillerie über 200. Unter den getroffenen Zielen nannte Konaschenkow Munitionsdepots, Artilleriestellungen, Truppenansammlungen und Luftabwehrsysteme. Gesondert berichtete er über den Abschuss von zwei ukrainischen Kampfflugzeugen; eine Su-25 und eine MiG-29. Von unabhängiger Seite konnten diese Angaben nicht überprüft werden.

Generell zeigt sich der Kreml – entgegen anderslautender Experteneinschätzungen – mehr als zehn Wochen nach Kriegsbeginn zufrieden mit den Leistungen des eigenen Militärs. „Die Operation läuft nach Plan“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Zu Wort meldete sich am Freitag auch das Außenministerium in Moskau. Der Einsatz von Atomwaffen sei im Rahmen des speziellen Militäreinsatzes, wie Russland die Invasion offiziell bezeichnet, nicht vorgesehen, sagt der Sprecher des Ministeriums, Alexej Saizew. Die USA hatten angesichts der ausbleibenden Erfolge der russischen Armee gewarnt, Russland könnte taktische Atomwaffen einsetzen.

Offenbar Militärparade geplant

Mit Spannung wird jedenfalls der 9. Mai erwartet. Nach Angaben aus Kiew plant Russland am Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland auch eine Militärparade in Mariupol. Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak warf Russland vor, zu diesem Anlass ukrainische Gefangene aufmarschieren lassen zu wollen. Ähnlich waren bereits 2014 pro-russische Separatisten in der Ostukraine vorgegangen, nachdem sie die Stadt Donezk eingenommen hatten. „Sie haben Soldaten der ukrainischen Armee durch die Straßen marschieren lassen, man hat sie mit Müll beworfen“, erklärte Podoljak mit Blick auf die Ereignisse 2014 am Freitag. „Acht Jahre später hat der Kreml beschlossen, dies am 9. Mai in Mariupol mit Zivilisten in Militäruniform nachzuspielen.“

In der Umgebung von Mariupol wurden nach Angaben der pro-russischen Separatisten inzwischen die auf Ukrainisch und Englisch beschrifteten Straßenschilder durch russische ersetzt.